Talent Management & Influencer Marketing bei WeCreateAdil Sbai: "Momentan würfelt die Branche ihre Preise"

28.10.2022 / 11:35 Uhr

Düsseldorf. 

Das ist, was wir einen Rundumschlag nennen. Denn in diesem Interview sprechen wir über alles, was im Influencer Marketing gerade relevant ist.

Adil Sbai gehört zu den versiertesten Kennern der Influencer Marketing Branche. Seine Agentur WeCreate macht immer wieder von sich Reden - mit spannenden Creators wie Herr Anwalt, Großprojekten wie dem 9:16 House - und ein Analysetool gibt's auch noch. Das bedeutet: Talent Management, Kampagnen-Management, Datenverarbeitung und Mitarbeiterführung.

Über all diese Aspekte spricht Adil Sbai in unserem großen Interview. Wir erfahren, was es bedeutet, junge Talente zu betreuen. Wir sprechen über die schwierige Suche nach guten Mitarbeiter:innen und über das Phänomen "Elevator Boys". Tipps für Unternehmen, die den Perfect Fit in Sachen Influencer:innen suchen, gibt's on top.

styleranking verabredet sich mit WeCreate-Gründer Adil Sbai zum Talk rund um die Zukunft von Talent Management, Influencer Marketing und das Format 16:9. Copyright: WeCreate

styleranking: Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Adil Sbai: Ich bin in alle vier Departments von WeCreate involviert. Mittlerweile zunehmend strategisch und weniger operativ. Angefangen haben wir mit der Datenanalyse von TikTok, daraus ist InfluData entstanden. Diese Daten nutzen wir auch selbst und haben daraus das Artist Management aufgebaut. Unser Pilotprojekt mit nur einem Künstler war so erfolgreich, dass wir dazu ein Buch geschrieben haben. Dadurch sind andere Künstler auf uns aufmerksam geworden. Wir haben relativ lange nur vier Künstler gemanagt und erst als die Strukturen da waren, expandiert. Das dritte Department ist unsere Agentur. Diese macht etwa die Hälfte unseres Umsatzes aus. Department vier ist das 9:16 House auf Ibiza. Hinzu kommen Gespräche mit potenziellen Mitarbeitern, Feedback-Gespräche, die Künstlerentwicklung und zwischendurch muss ich auch mal ein “Feuer löschen”.

styleranking: Ihr habt euch früh auf das Format 9:16 konzentriert. Unter welcher Prognose für die Influencer Marketing-Branche ist dieser Schwerpunkt entstanden?

Adil Sbai: Mit der Entwicklung von Reels und Shorts ist uns klar geworden, dass das Thema größer ist als der Erfolg von TikTok. TikTok war das Symptom einer strukturellen Entwicklung, die 9:16 Content heißt. Das ist der entscheidende Content für die Gen Z. Deshalb wollten wir früh weg vom Begriff der “TikTok Agentur”. Wir haben uns den Namen 9:16 rechtlich gesichert, denn wir waren schon früh der Überzeugung, dass das Thema groß wird. Ich finde den Begriff auch passender als Vertical Video. Spätestens nach OMR war dann überall die Rede von 9:16. Mittlerweile betreuen wir auch erste Kunden, die mit uns nicht nur TikTok-Kampagnen umsetzen, sondern z.B. YouTube-Shorts bespielen.

"Unsere Artist Manager müssen empathisch sein, mit ihren Schützlingen umgehen können und ihre Lebenssituation verstehen"

styleranking: Was macht die Arbeit mit Creators, die auf TikTok groß geworden sind, besonders?

Adil Sbai: Die meisten Talents, mit denen wir arbeiten, werden zum ersten Mal von einem Artist Management betreut. Das ist Segen und Fluch gleichermaßen. Segen, weil wir sie entwickeln können und alle noch Lust auf das haben, was sie tun. Für viele verändert sich gerade das ganze Leben. Einige haben vorher normale Jobs ausgeübt und plötzlich werden sie auf der Straße erkannt und verbuchen sechsstellige Jahresumsätze. Es ist schön, diese Entwicklung zu begleiten und sie dabei zu unterstützen, die richtigen Weichen zu stelle.

Ein Fluch ist es, weil wir noch oft Händchen halten müssen. Die meisten Creator sind sehr jung und stehen noch nicht immer fest im Leben. Alles ist neu, frisch, mental belastend. Auch deshalb haben wir mittlerweile eine Betriebspsychologin eingestellt. Sie hilft den Creators damit umzugehen, in der Öffentlichkeit erkannt zu werden, volatile Views und Umsätze zu haben, teilt Techniken und zeigt, wie die Creators mit dem Gefühl, ständig online sein zu müssen, umgehen können.

styleranking: Was müssen Mitarbeiter:innen können, die vor allem junge Creators betreuen?

Adil Sbai: Hier sind Soft Skills wichtiger als Hard Skills. Unsere Artist Manager müssen empathisch sein, mit ihren Schützlingen umgehen können und ihre Lebenssituation verstehen. Bei allem Fachwissen ist es wichtig, dass wir auf Augenhöhe kommunizieren. Bei uns ist alles sehr familiär, die Artists sprechen gar von der “WeCreate Family”. Wer das nicht wertschätzt, sondern zu bossy mit den Creators umgeht, ist fehl am Platz. Selbiges gilt aber auch umgekehrt. Hierarchischer Umgang und Kommunikation passen nicht zu unserer Kultur.

styleranking: Welche Skills müssen Creators vorweisen, um bei euch unter Vertrag genommen zu werden?

Adil Sbai: Glaubwürdigkeit ist als Begriff vermutlich “overused”, aber natürlich ein Hygienefaktor. Heißt: Creator müssen diese mitbringen, darin sehe ich aber kein Alleinstellungsmerkmal. Wie bei den Mitarbeitern müssen die Werte der Creators zu uns passen. Außerdem muss eine gewisse “Uniqueness” vorhanden sein. Der sechste männliche Comedy Creator wird’s schwer haben in unserem Portfolio. Es gibt übrigens leider deutlich weniger weibliche Comedians, überhaupt weibliche Creators, bei TikTok. Deswegen achten wir auf ein diverses Portfolio. Gerade restrukturieren wir unser Artist Management in bestimmte Units, die unter den Themenfeldern WeShine, WeSport, WeStage, WeLife und WeTech laufen. Die Talents sollten in eine der Units passen, weil wir in diesen Rubriken die Expertise haben, Content zu erstellen und diesen zu vermarkten. Wir erhalten nach wie vor sehr sehr viele Anfragen von Talents, lehnen diese zu 95 Prozent ab und müssen super picky sein. Wir bleiben lieber ein wenig kleiner und exklusiver, mit weniger Talents und spielen dafür unsere Kernkompetenzen aus.

styleranking: Viele der Creators mit Millionen Reichweite sind breit aufgestellte Lifestyle-Influencer:innen. Trotzdem lautet der gängige Tipp für Nachwuchstalente: Such dir eine Nische. Welche Ausrichtung funktioniert deiner Meinung nach am besten?

Adil Sbai: Ich denke, Creators sollten zu Beginn ihrer Karriere mit einem bestimmten Thema in Verbindung gebracht werden. Es ist wichtig, eine Message oder Story zu haben und dann, um wachsen zu können, thematisch mehr in die Breite zu gehen. Sich nur auf den Lifestyle-Bereich zu konzentrieren, finde ich schwierig. Nadine Breaty hatte schon immer gute Zahlen, aber ihr hat anfangs das Feintuning ihrer Story gefehlt. Daran haben wir gemeinsam gearbeitet und jetzt steht sie für eine wichtige Message und entwickelte sich zu einem starken Vorbild für ihre Community. Wir haben bei ihr das Vertrauen entwickelt, offen über das Thema mentale Gesundheit - auch ihre eigene - zu sprechen. Das ist spannend für die Audience, für Medien und auch motivierend für sie selbst. Man sagt ja: Branding ist das, was die Leute über dich sagen, wenn du nicht im Raum bist. Wenn du nur für Lifestyle stehst, und für nichts anderes einstehst, ist es schwer, im Gedächtnis zu bleiben. Die Frage sollte lauten: Warum machst du eigentlich Content? Wofür brennst du? Was treibt dich an? Welchen Impact willst du haben?

"Die Elevator Boys sind Best Practice, deswegen schauen wir uns das sehr genau an"

styleranking: Creators sind in der besonderen Position, viel von ihrem persönlichen Leben preiszugeben - anders als in anderen Jobs. Ihr habt mit dem 9:16 House einen Ort der Gemeinschaft für Creators geschaffen. Wie wichtig ist es für Influencer:innen, mit Menschen zusammenzuarbeiten, die in der gleichen Position sind?

Adil Sbai: Kreativität lebt vom Austausch. Sich im stillen Kämmerlein etwas zu überlegen, ohne Feedback einzuholen, führt oft zu keinen oder minderwertigen Ergebnissen. Es kommt der Punkt, an dem der Austausch unerlässlich wird. Das heißt auch, sich ein Stück weit zu öffnen, sich verletzlich zu zeigen und Insights zu teilen. Nur so entstehen neue Impulse. Es ist wichtig, sich immer wieder neu zu erfinden - kaum eine Karriere kommt ohne aus. Alte Hasen wie Kai Pflaume oder Oliver Pocher haben sich auf Social Media neu erfunden. Wer sich nicht neu erfindet, verliert irgendwann die Relevanz.

styleranking: Ist es strategisch klüger, Creator-Squads zu bilden oder sollten Influencer:innen ihre eigene Story erzählen?

Adil Sbai: Die Cross-Promotion-Effekte, wie zum Beispiel bei den Elevator Boys, sind enorm. Diese Strategie wird sehr lange funktionieren, weil die Protagonisten auch individuell wachsen und damit die Gesamtheit der Follower zunimmt. Alle befeuern sich gegenseitig.

Problematisch wird es dann, wenn Einzelne im Wachstum stagnieren. Durch InfluData, unser Analyse-Department, sehen wir oft Community-Überschneidungen bei Creators. Wenn diese Überschneidungen zu hoch sind - etwa Richtung 40 Prozent - können sich Creators gegenseitig kein Follower Wachstum mehr bescheren. Am Ende unterliegen solche Squads eben auch dem Numbers-Game. Über all dem steht natürlich guter Content. Haben die Leute Spaß und klickt der Content, kann wieder organische Reichweite entstehen. Die Elevator Boys sind Best Practice, deswegen schauen wir uns das sehr genau an. Dahinter steht auch unsere Umstrukturierung des 9:16 House. Wir wollen mehr Variabilität schaffen und deswegen verabschieden wir uns von nur einer Location auf Ibiza. Als Kick-off war das super, jetzt müssen Städte wie Berlin, Seoul oder Melbourne folgen. Neue Impulse erzeugen mehr Spannung für die Audience.

"Wer breiter gefächerte Themen wie Beauty oder Fashion bespielt, muss externe Impulse setzen"

styleranking: Müssen Creators in den Metropolen dieser Welt unterwegs sein, um den Bedarf nach abwechslungsreichen Content stillen zu können?

Adil Sbai: Impulse lassen sich auf verschiedene Weisen setzen, dazu muss niemand die Location ändern. Mr.Beast gehört zu den erfolgreichsten YouTubern der Welt. Der sitzt in den USA und geht nicht auf Welttournee, denkt sich aber spannende Formate wie die Social-Media-Variante von Squid Game aus. Wer allerdings breiter gefächerte Themen wie Beauty oder Fashion bespielt, muss externe Impulse setzen. Das steht und fällt mit der Positionierung.

styleranking: Was sind die wichtigsten Learnings, die ihr aus dem 9:16 House auf Ibiza gezogen habt?

Adil Sbai: Unter anderem diese: Die Umsetzung eines solchen Projektes ist eine Betriebsstätte, die mit steuerlichen Pains einhergeht. (lacht) Ich weiß nicht, ob ich es nochmal in Spanien machen würde. Die Logistik ist ein großer Aufwand. Wir haben dort tolle Erfahrungen machen können, aber es ist schwieriger als gedacht, auf einer Insel immer wieder neue Impulse zu setzen. Der Kanal 916.house wächst nach wie vor, aber deutlich langsamer. Deshalb passen wir das Konzept gerade an. Wir werden den 9:16 DACH-Kanal im kommenden Jahr sehr wahrscheinlich nach Deutschland holen. Unser neues Projekt, der internationale Kanal, soll im kommenden Jahr auf Welttournee gehen.

styleranking: Welche Anforderungen muss eine gute Datenbank im Kontext von Influencer Marketing erfüllen? Welche erfüllt ihr davon schon, welche sind schwierig für euch umzusetzen?

Adil Sbai: Im Sourcing und der Discovery sind wir schon sehr gut. Es ist nicht trivial, das Tool dazu zu bringen, bei der Suche nach einem Veganer in Berlin die richtigen Leute auszuspucken. Auch entscheidend ist eine ehrliche Analyse der Audience, um sichtbar zu machen, ob jemand Follower oder Likes kauft und die Demographics der Audience mit der Zielgruppe der Brand matchen. Auf Instagram sind zudem Collusion und Fraud - sprich das Kaufen von Likes und Followern - ein großes Problem, bei TikTok geht das auch los. Luft nach oben haben wir im Bereich Kampagnenmanagement. Das können andere Tools bereits, wir aber noch nicht so gut. Unsere Agentur setzt jeden Tag Kampagnen um und wir haben aktuell kein eigenes Inhouse-Tool. Das ist der nächste Schritt. Ansonsten arbeiten wir nach wie vor daran, noch mehr Daten zur Verfügung zu stellen, wie zum Beispiel Schuhgröße, Merkmale wie Sommersprossen oder ob jemand Brillenträger ist. Das kann man über Machine Learning bereits sichtbar machen.

styleranking: Macht ihr euch Sorgen, dass Facebook ein Tool auf den Markt bringt und damit Daten aus erster Hand nutzbar macht?

Adil Sbai: Natürlich haben wir das auf dem Schirm, aber ehrlicherweise sind wir da relativ entspannt. Viele Kunden wollen auf mehreren Plattformen gleichzeitig suchen, sie wollen mit einem Klick von Instagram zu TikTok wechseln. Ich bin mir nicht sicher, ob Facebook die anderen Profile listen will und darf. Wir als Startup können solche Probleme viel einfacher lösen als große Unternehmen wie Facebook.

Die großen Corporates haben außerdem viel mehr Restriktionen bei der Datenerhebung, da sind wir als kleiner Player besser aufgestellt. Hinzu kommt, dass ironischerweise die Daten, die wir über Creators auf TikTok haben, teilweise besser sind als die von TikTok selbst. Wir dürfen z.B. sagen, wenn wir glauben, dass jemand jünger als 13 Jahre als ist. TikTok darf das nicht. Außerdem vergleichen wir im Nachgang die Daten unserer eigenen Creators mit denen von InfluData und da sind wir sehr nah dran.

"Momentan “würfelt” die Branche ihre Preise. Das finde ich nicht gut"

styleranking: Siehst du eine Möglichkeit, in euer Tool künftig auch valide Aussagen über Preise integrieren zu können?

Adil Sbai: Momentan würfelt die Branche ihre Preise. Das finde ich nicht gut. Wir geben durch InfluData eine TKP-Empfehlung raus, aber das ist alles sehr fluide und die automatische Preise-Generation funktioniert daher nicht perfekt. Wir berechnen den TKP durch unsere vorhandenen Daten, wie die Herkunft der Follower. Ich bin mir sicher, es wird in Zukunft noch andere Lösungen geben. Aktuell ist die Bandbreite viel zu groß und ich höre immer wieder merkwürdige Summen in Verhandlungen. Mehr Transparenz wäre da in unserem Interesse.

styleranking: Wie nimmst du die Preisentwicklung im Influencer Marketing gerade wahr - haben wir den Peak bereits erreicht?

Adil Sbai: Ich glaube nicht, dass die Preise schon am Peak sind. Meiner Meinung nach gestalten sich die Preise im Verhältnis zu anderer Werbung noch günstig. Wir als Agentur erreichen teilweise CPMs von unter 5 Euro mit der kompletten Orchestrierung einer Kampagne - das ist wirklich günstig. Auch, wenn die Kaufkraft auf TikTok nicht auf dem Level von anderen Plattformen ist. Ich wundere mich, dass es nicht mehr Aktivierungen auf Social Media gibt. Die Quote der Leute, die gut gemachte Werbung bis zum Ende schauen, ist nicht schlecht. Deswegen glaube ich, dass die Preise weiter steigen. Wir passen die Preise unserer Creators oft an, vor allem unter dem Faktor der Uniqueness. Das geht in beide Richtungen. Wir haben das Dilemma, dass TikTok immer wieder neue Creators pusht, sodass wir von manchen Talents - zum Beispiel im Comedy Bereich - die Preise reduziert haben. Das passiert, wenn Creators nicht unique genug sind. Das Umfeld ist dann sehr kompetitiv und die alten Hasen merken irgendwann, dass sie 12 Euro TKPs nicht mehr durchboxen können. Bei Herr Anwalt sind wir in Verhandlungen hingegen sehr hart, weil er der einzige Anwalt auf TikTok ist, der so stark für Vertrauen steht. Bei Nadine gilt das auch, sie steht für viele Werte, die sich nicht so leicht ersetzen lassen.

"Ich habe leider das Gefühl, dass Marken noch immer aus persönlichem Geschmack heraus entscheiden, wen sie für ihre Kampagne buchen"

styleranking: Ist die Nische also vielleicht nicht für das Follower:innen-Wachstum, aber für die Preisstabilität ausschlaggebend?

Adil Sbai: Ja klar, man qualifiziert sich für die Nische und steht dann automatisch für bestimmte Werte. Diese Werte werden durch Kooperationen auf die jeweilige Marke transportiert. Das rechtfertigt einen höheren TKP. Dafür müssen die Werte aber so unersetzlich sein, dass die Marke bereit ist, dafür mehr Geld auszugeben. Das sehen wir in einem Bereich wie Comedy eher weniger, weil Werte hier keine so große Rolle spielen.

Wäre ich aktuell eine Brand, würde ich mir ungeliebte Creators holen, die ich persönlich vielleicht nicht so feiere, die aber von ihrer Community geschätzt werden. Wir hatten Creators, die für einen kindlichen Humor standen und die wir nicht vermarkten konnten. Die wären perfekt, um eine ganze Reihe von Produkten auf TikTok zu promoten, aber die Marketer mögen sie nicht. Das ist total irrational. Ich habe leider das Gefühl, dass Marken noch immer aus persönlichem Geschmack heraus entscheiden, wen sie für ihre Kampagne buchen. Die Performance spielt dabei zu oft eine untergeordnete Rolle. Darin sehe ich eine zentrale Aufgabe des Influencer Marketing Managers - er muss sicherstellen, dass ein Brand Fit besteht und vom persönlichen Geschmack des Kunden abraten, wenn nötig. Der KPI sollte sein, so viel relevante Zielgruppe wie möglich für einen Preis so günstig wie möglich einzukaufen. Im Endeffekt zählt nur der Geschmack der Zielgruppe. Der Köder muss dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Davon sind wir sehr weit entfernt.

styleranking: Die Agentur-Branche ist gerade einer hohen Fluktuation ausgesetzt. Was tut ihr, um ein attraktives Arbeitsumfeld zu schaffen?

Adil Sbai: Es ist mega schwierig, Leute zu finden - vor allem für die Agentur. Agenturen kämpfen gerade mit einem Imageproblem. Wir können keinen neuen Kunden annehmen, weil wir zu wenige Ressourcen haben. Trotzdem nehmen wir nicht jeden. Einige äußern krasse Gehaltsforderungen. Wir wollen den Lohn-Gap innerhalb des Unternehmens aber klein halten. Deswegen arbeiten wir lieber mit kleinen Teams. Im Artist Management ist es etwas einfacher. Dort arbeiten auch viele, die aus der Agenturbranche kommen und darauf keine Lust mehr haben.

styleranking: Wohin müsste sich die Agenturbranche entwickeln, damit junge gute Leute wieder Lust haben, in diesem Bereich zu arbeiten?

Adil Sbai: Vielleicht handelt es sich um ein Kommunikationsproblem. Leute wollen Sicherheit, eine gesunde Fehlerkultur, Raum für Wachstum und Abwechslung. Das können wir bieten. Wir haben das 9:16 House und planen einen Award für das nächste Jahr. Wir sortieren Kunden teilweise nach Coolness aus, um unseren Mitarbeitern spannende Projekte und Freiheiten zu bieten. Es ist ein Segen, die Kunden aussuchen zu können und nicht Jahre lang auf den gleichen Kunden arbeiten zu müssen. Agenturen sind natürlich für den hohen Druck bekannt, der durch Pitches, Zeitdruck, Überstunden und den Preisdruck entsteht. Das führt dazu, dass Juniors oder sogar Werkstudenten und Praktikanten plötzlich Senior-Tätigkeiten ausüben. Das fällt einem langfristig auf die Füße und demotiviert die Leute. Wir gehen deshalb nicht als günstigste Agentur in die Verhandlung und lehnen unbezahlte Pitches mittlerweile ab. Ich finde unbezahlte Pitches sind eine Frechheit. Das ist nicht wertschätzend. Diese Herangehensweise funktioniert. Die Hoffnung ist, dass wir deswegen eine niedrigere Fluktuation haben. Uns gibt es allerdings erst seit zwei Jahren, deswegen kann ich nicht sagen, ob sich das Modell auf die Branche anwenden lässt. Wünschen würde ich mir das.

styleranking: Danke für das Interview, Adil!