Designer InterviewKilian Kerner: "Harry Styles ist für mich der wichtigste Künstler unserer Zeit"
Tosender Applaus donnert durch die Show-Location der Berlin Fashion Week, als Kilian Kerner seine Models für eine letzte Runde auf den Runway schickt.
Seine aktuelle Kollektion trägt den Titel "Ikonen" und ist inspiriert von Stars wie Viola Davis, Serena Williams, Jella Haase, Harry Styles oder Timotheé Chalamet. 41 Looks für Herren und Damen schickt Kerner am zweiten Tag der Berlin Fashion Week über den Laufsteg. Darunter Outfits mit eindrucksvollen Pailletten, Tüll und einer großen Farbvielfalt. Tiefsitzende Taillen versprühen 2000er Vibes, coole Street Styles buhlen mit galmourösen Abendkleidern um die Aufmerksamkeit des Publikums.
In guter alter Tradition verabreden wir uns kurz vor der Show mit Kilian zum Interview und wollen wissen: Wie entsteht seine Kollektion? Warum sind ausgerechnet Harry Styles oder Jella Haase Inspirationsquellen für ihn? Und was hält er eigentlich vom erneuten Terminwechsel der Berlin Fashion Week?
styleranking: Wie definierst du für dich den Begriff Ikone?
Kilian Kerner: Eine Ikone macht aus, dass sie komplett einzigartig ist. Ikonen folgen dem Weg, zu dem sie berufen wurden - ohne Wenn und Aber. Das muss nicht unbedingt ein Mensch sein, der in der Öffentlichkeit steht.
Bezogen auf meine Show sind die Ikonen Menschen, die ich für ihr Talent und ihren Stil bewundere. Ich finde toll, wie diese Menschen ihr Ding machen und sich nicht danach richten, was andere sagen.
styleranking: Tennis, Musik, Entertainment, Schauspiel - deine Ikonen stammen aus verschiedenen Bereichen. Was haben diese Bereiche mit deinem Leben zu tun?
Kilian Kerner: Dabei handelt es sich um Themen, für die ich mich sehr interessiere. In erster Linie habe ich aber die Menschen ausgewählt und nicht das Genre, in dem sie tätig sind. Ich mag, wofür diese Menschen stehen und wie selbstbewusst sie durchs Leben gehen.
"Die Balance zwischen Kommerz und Kunst gelingt Jella so gut wie niemandem sonst in diesem Land"
styleranking: Eine deiner Ikonen - Jella Haase - ziert gerade das Cover der deutschen Vogue. Was verbindet dich mit ihr?
Kilian Kerner: Jella ist in erster Linie seit elf Jahren eine meiner besten Freundinnen. Ich habe schon immer bewundert, wie sie ihren Weg verfolgt und mit all dem Rummel um ihre Person umgeht. Sie bleibt auf dem Boden und lässt ihre Entscheidungen nicht von Rum und Ehre beeinflussen. Sie folgt dem, was ihr wichtig ist. Die Balance zwischen Kommerz und Kunst gelingt ihr so gut wie niemandem sonst in diesem Land. Auf einem der Höhepunkte ihrer Karriere ist sie aus der Filmbranche ausgeschwenkt und hat zwei Jahre Theater gespielt. Diesen Mut finde ich bewundernswert.
Ich mag, dass sie immer noch dieses kleine Hippie-Mädchen geblieben ist, das verrückt auf meiner Couch sitzt, genauso wie vor elf Jahren. Sie hat sich nicht verändert.
In ihrer Kategorie war noch niemand auf dem Vogue-Cover. Sie spielt aktuell die Hauptrolle in der Netflix-Serie Kleo. Netflix hat die Serie für sie geschrieben, ohne dass sie davon wusste. Das muss man erstmal erreichen und dabei so auf dem Boden bleiben.
styleranking: Wie hat Jella reagiert, als sie erfuhr, dass sie eine deiner Ikonen ist?
Kilian Kerner: Sie war ein bisschen beschämt.
styleranking: Welche Eigenschaften deiner Ikonen hättest du selbst gern, und welche lieber nicht?
Kilian Kerner: Ich würde gern so gut Tennis spielen können, wie Serena Williams. Ansonsten bin ich niemand, der anderen nacheifert. Ich gehe lieber meinen eigenen Weg.
styleranking: Also Inspiration statt Vorbild?
Kilian Kerner: Ja, genau. Vorbilder habe ich tatsächlich keine.
styleranking: Für wen wärst du gern eine Ikone?
Kilian Kerner: Für meinen Freund.
"Harry Styles ist für mich der wichtigste Künstler unserer Zeit - mit allem, was er tut"
styleranking: Timotheé Chalamet und Harry Styles stehen unter anderem für das Aufbrechen von Gender-Stereotypen in der Mode. Wie empfindest du diese Entwicklung?
Kilian Kerner: Harry Styles ist für mich der wichtigste Künstler unserer Zeit - mit allem, was er tut. Ich liebe seine Musik, wie er sich anzieht und wie er sich gibt. Ich glaube, dass die junge Generation jetzt den Mut entwickelt, sich anders zu Kleiden, ohne Angst zu haben, als Homosexuelle abgestempelt zu werden. Das kann man gerade beobachten.
Wenn man sich Deutschland aber außerhalb der Berlin Bubble anschaut, ist das noch ein weiter Weg. Ich schätze die Chancen sehr gering ein, dass diese Idee von Mode in der breiten Masse ankommt. Umso schöner ist es, dass Persönlichkeiten wie Harry Styles oder Timotheé Chalamet nicht dafür angegangen werden, wie sie sich kleiden - sondern, dass die Menschen sie dafür feiern.
styleranking: Ist das für dich im Designprozess ein relevantes Thema, Geschlechternormen aufzubrechen - etwa durch Kleider für die Herrenkollektion?
Kilian Kerner: Das spielt keine Rolle für mich. Ich will Mode auch nicht immer auf Männer oder Frauen beziehen. In der ganzen Diskussion, die wir in diesem Kontext gerade führen, wünsche ich mir, dass wir uns als Menschen begegnen und uns nicht über das Geschlecht definieren. Wir sollten uns als Menschen respektieren.
Ob ich mal Kleider für Männer entwerfe, weiß ich nicht. Vielleicht bin ich da spießig, aber mir gefällt das auch nicht immer. Es gibt Männer, an denen Kleider toll aussehen, aber wer sich als Mann femininer kleiden möchte, muss dazu nicht zwingend ein Kleid tragen.
styleranking: Eine zweite Option, Gender-Stereotype aufzubrechen, ist gleichermaßen für alle Geschlechter zu konzipieren. Entspricht das eher deiner Arbeit?
Kilian Kerner: Ja, ich finde die Unisex-Richtung besser. Meine Hosen haben z.B. bei Männern und Frauen oft die gleichen Design-Elemente. Außerdem verwende ich die gleichen Stoffe und Farben für beide Kollektionen.
styleranking: Was hat diesen Designprozess besonders gemacht?
Kilian Kerner: Ich habe mich dieses Mal nicht so stark mit den Ikonen auseinandersetzen müssen, weil das Menschen sind, die ich ohnehin permanent im Blick habe. Ich wollte nicht, dass sich die neuen Looks 1:1 an Viola Davis oder Serena Williams orientieren oder ich deren Stil einfach kopiere.
Es gibt Teile, wo man sieht, dass z.B. könnhte Jella oder Heidi sie tragen . Aber im Wesentlichen will ich das Gefühl transportieren, was aufkommt, wenn ich an diese Menschen denke.
Bei den Männern sieht man es vielleicht etwas deutlicher. Es gibt z.B. bauchfreie Oberteile, die an den Look von Harry Styles erinnern. Auch Justin Bieber ist für mich schon lange eine Stilikone. Er prägt einen ganz eigenen Look, den er schon seit Jahren durchzieht.
"Ich würde gern eine Show in New York realisieren, aber parallel trotzdem in Berlin zeigen"
styleranking: Mit der Rückkehr der Premium nach Berlin ändert sich der Schauenkalender der Berlin Fashion Week im Januar erneut. Wie findest du das?
Kilian Kerner: Ich habe immer dafür plädiert, dass die ursprünglichen Termine verschoben werden, damit die Berlin Fashion Week nicht mit dem internationalen Kalender kollidiert. Deswegen habe ich mich wenig darüber gefreut, dass die Termine jetzt wieder zusammengeschoben werden.
Ich arbeite seit fünf Monaten an dieser Kollektion und hätte eigentlich gern Urlaub gehabt. Das ist unmöglich, wenn wir nur dreieinhalb Monate Zeit haben, um bis Januar eine neue Kollektion zu realisieren. Ich fange jetzt schon an. Das wird ein wilder Ritt. Aber sie werden sich schon etwas dabei gedacht haben. Ändern kann ich es
styleranking: Wie empfindest du als Designer diese “Abhängigkeit” von der Messe?
Kilian Kerner: Ich verzichte auf eine Bewertung dieser Abhängigkeit. Das Thema Messe interessiert mich nicht, ich stelle dort nicht aus. Warum die Termine zusammengelegt wurden, ist mir ein Rätsel. Im Juli sind die Leute ja auch zur Messe gekommen, obwohl keine Fashion Week parallel lief. Aber der Senat wird sich bei dieser Maßnahme etwas gedacht haben
styleranking: Könntest du dir vorstellen, dich von
der Mercedes Benz Fashion Week zu entkoppeln und in einem anderen Rahmen
oder an einem anderen Ort zu zeigen?
Kilian Kerner: Ich bleibe Berlin erhalten. Ich würde gern eine Show in New York realisieren, aber parallel trotzdem in Berlin zeigen. Ich habe Berlin sehr viel zu verdanken, deswegen ist es für mich undenkbar, hier wegzugehen. Ich pflege zahlreiche Partnerschaften mit Marken aus Deutschland und mir bringt eine Fashion Week immer viel. Ich lebe hier und finde, dass man als Berliner Designer die Möglichkeit nutzen sollte, hier zu zeigen. Je mehr Designer hier zeigen, desto besser ist es für uns alle.
Ich habe jetzt gelesen, dass Frida Weyer mit einem neuen Label zurückkommt, was mich sehr freut. Auch Danny Reinke ist wieder dabei, den ich für sehr talentiert halte. Wir haben gutes Design in Berlin und das sollten wir zeigen.
styleranking: Vielen Dank für das Interview, Kilian.