Werbung auf Social MediaMehr Abmahnungen? Diese Risiken birgt das neue Gesetz zur Werbekennzeichnung auf Social Media

27.01.2021 / 16:01 Uhr

Düsseldorf. 

Alles neu in Sachen Werbekennzeichnung? Das zumindest verheißt der neue Gesetzentwurf des Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz. Im Mittelpunkt steht die seit Jahren anhaltende Diskussion um die korrekte Werbekennzeichnung im Kontext von Social-Media-Inhalten und Influencer Marketing. Der Entwurf sieht vor: Influencer:innen müssen ihre Posts nur dann mit “Anzeige” und Co. markieren, wenn sie Geld oder eine vergleichbare Gegenleistung erhalten.

Wo vorher antik anmutende Gesetze wie das Telemediengesetz oder das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb vorherrschten, bemüht sich die Politik nun um rechtliche Sicherheit speziell für den Bereich Social Media. Leider folgt an dieser Stelle eine großes Aber. Denn tatsächliche Rechtssicherheit bietet der Entwurf wohl nicht. Möglicherweise öffnet er sogar die Tür für mehr Abmahnungen. Warum? Influencer Marketing-Spezialist styleranking hat IT-Fachanwalt Sebastian Laoutoumai der Rechtsanwaltsgesellschaft Luther Lawfirm um eine Einschätzung gebeten.

Kann das neue Gesetz zur Kennzeichnung von Werbung in den sozialen Netzwerken wirklich Sicherheit bringen? Copyright: Shutterstock

Werbekennzeichnung nur bei Gegenleistung

“Der heutige Beschluss des Bundeskabinetts schafft mehr Transparenz – auch für Verbraucherinnen und Verbraucher”, schreibt das Bundesjustizministerium bei Instagram. Für viele Influencer:innen und Werbetreibende dürfte das zutreffen. Seit geraumer Zeit nämlich fühlen sich viele Protagonist:innen der Social-Media-Branche verloren zwischen Landesmedienanstalten und Wettbewerbszentrale. Meldungen von Influencer:innen, die von Abmahnungen überrollt werden oder aus Angst einfach jeden Beitrag als Werbung kennzeichnen, gab es reichlich. Damit soll Schluss sein.

“Der #Gesetzentwurf zur Stärkung des Verbraucherschutzes im Wettbewerbs- und Gewerberecht sieht vor: Empfehlungen müssen nur dann als kommerzielle Kommunikation erkennbar gemacht werden, wenn #Blogger und Influencer dafür eine Gegenleistung entgegennehmen. Gegenleistungen sind zum Beispiel Provisionen, Produkte, die von einem fremden Unternehmen zugesandt wurden und die die Influencerin oder der Influencer nutzen oder behalten darf, sowie Pressereisen, Stellung von Ausrüstung oder Kostenübernahmen”, heißt es weiter.

Nun kommt schnell der Gedanke auf, dass solch schwammig formulierten Gesetze das Tor für Abmahnungen erst recht öffnen. Sebastian Laoutoumai sagt dazu: “Um eine Vielzahl von Fällen erfassen zu können, muss der Wortlaut eines Gesetzes oft abstrakt generell formuliert werden. Auch unbestimmte Rechtsbegriffe sind insofern nicht unüblich. Aber: Unbestimmte Rechtsbegriffe sind auslegungsbedürftig und daher zunächst ein Einfallstor für neue Abmahnungen bis der Begriff durch eine gefestigte Rechtsprechung hinreichend ausgefüllt wurde.”

Die Krux: Nachweispflicht liegt bei Influencer:innen

Der Wortlaut des Gesetzentwurfs stellt klar: Influencer:innen sind in der Nachweispflicht. Konkret heißt es dort: "Der Erhalt oder das Versprechen einer Gegenleistung wird vermutet, es sei denn der Handelnde macht glaubhaft, dass er eine solche nicht erhalten hat."

Eine Formulierung, die vor allem den Abmahnenden zu Gute kommt, wie Sebastian Laoutoumai erklärt: “Aufgrund dieser Vermutungsregel besteht die Gefahr, dass die Anzahl der Abmahnungen nicht zurückgeht, sondern sogar steigen könnte.”

Warum dieser Fall eintreten könnte? Laoutoumai erklärt weiter: “Der Entwurf stellt Influencer:innen von der Kennzeichnungspflicht frei, wenn kein Entgelt geflossen ist. Das dürfte zwangsläufig dazu führen, dass künftig viel weniger Beiträge als Werbung gekennzeichnet werden. Da für den Abmahner die Unentgeltlichkeit nicht ersichtlich ist, kann er von nicht gekennzeichneter Werbung ausgehen und die Vermutungsregelung ermöglicht ihm dann gleichwohl eine Abmahnung zu formulieren. Wer also beispielsweise keinen Kaufbeleg vorlegen kann, läuft weiterhin Gefahr, gerichtlich zur Unterlassung verurteilt zu werden.”

Influencer:innen und eigene Brands

Auch die Landesmedienanstalten äußern sich in einer Stellungnahme durchaus kritisch zum Gesetzentwurf. In ihrer Kritik bemängeln die LMA unter anderem die fehlende Regelung von Werbekennzeichnung rund um solche Produkte, die Influencer:innen im Rahmen ihrer eigenen Marken vertreiben. Konkret heißt es: “Der Regelungsvorschlag sieht zudem keine Ausnahme für die erkennbare Werbung für eigene Produkte vor. Eine Gegenleistung wird für Wettbewerber kaum nachweisbar sein. Getarnte Werbung ist bei jedem kommerziellen Hintergrund unlauter.” Man sehe diese Entwicklung daher kritisch heißt es.

Überkennzeichnung und Verlinkungen

Wer Produkte aus eigenen Tasche bezahlt und dann positiv bespricht, muss wohl künftig nicht mehr kennzeichnen - Nachweis vorausgesetzt. Besonders dieser Fall war in der Vergangenheit immer wieder prominent diskutiert worden, etwa in den Fällen von Vreni Frost oder Cathy Hummels.

Sebastian Laoutoumai sagt dazu: “Hinsichtlich dieser kritischen Sachverhalte dürfte der Entwurf aus Sicht der Influencer:innen die Debatte merklich verstummen lassen, denn der Aufbau des eigenen Images stellt nach der Gesetzesbegründung keine ähnliche Gegenleistung dar und führt folglich nicht zu einer Kennzeichnungspflicht. Auch Tags auf Markenkanäle führen nicht zu einer Kennzeichnungspflicht, wenn nicht ein Entgelt dafür kassiert wurde. Mit dem Entwurf will das BMJV die Unsicherheiten bei der Frage nach der Kennzeichnungspflicht beheben. Viele andere Themen, die für Influencer:innen ebenfalls relevant sind, werden mit diesem Entwurf erstmal nicht adressiert. ”

Die zuletzt vorherrschende Überkennzeichnung hatte nicht nur unter Content Creators für unklare Verhältnisse gesorgt. Auch Follower:innen konnten nicht mehr unterscheiden, ob Influencer:innen nun aus Angst vor Abmahnungen oder aufgrund einer tatsächlich bestehenden Kooperation kennzeichnen.

Letzte Hürde Bundesrat und Deutscher Bundestag

Im nächsten Schritt wird der Gesetzentwurf in Bundesrat und im deutschen Bundestag diskutiert, bevor er final verabschiedet wird. Erst dann treten die neuen Regelungen offiziell in Kraft.

Im Anschluss wird sich zeigen, ob Abmahner das Risiko eingehen, auf Verdacht hin abzumahnen und dann ggf. die Abmahnung aufgrund von Unrechtmäßigkeit zurückzunehmen. Denn, “der Abmahner wird erst nach der Rückmeldung auf die Abmahnung die Information erhalten, dass seine Abmahnung womöglich zu unrecht erfolgt ist”, wie Sebastian Laoutoumai zu bedenken gibt.

Unter Rechtssicherheit haben sich viele Protagonist:innen der Social-Media-Branche sicher etwas anderes vorgestellt. Die Unsicherheiten in Sachen Werbekennzeichnung bleiben auch mit dem neuen Gesetz erst einmal bestehen.

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