Influencer InterviewSophia Thiel: "Beim Training ist es okay, eine Maschine zu sein. Ansonsten bin ich gerne Mensch"
Triggerwarnung: Esstörungen.
Wenn du selbst
erkrankt bist, findest du zum Beispiel Hilfe
bei der Telefonseelsorge unter 0800 111 0 111 oder online unter www.telefonseelsorge.de.
"Ich liebe das Gefühl, wie eine Maschine zu funktionieren", sagt Sophia Thiel in unserem letzten Interview. Das war im Mai 2018. Wenige Monate später verschwindet die rennomierte Fitness-Influencerin von der digitalen Bildfläche. Zu diesem Zeitpunkt hat sie sich ein Millionen-Publikum aufgebaut, ist Gesicht großer Kampagnen und Herausgeberin eines eigenen Fitness-Programms. Eine Liste voller Erfolge, die sich zwar gut liest, aber wenig über die innere Verfassung von Sophia erzählt. Zur Wahrheit gehört nämlich auch: Sophia kämpft mit einer Essstörung, fühlt sich ausgebrannt und verliert den Zugang zu ihren Emotionen. Also zieht sie die Reißleine.
Nun ist Sophia zurück und denkt nicht im Traum daran, nahtlos an ihr altes Leben anzuknüpfen. Anstelle von Diäten und Tipps für den perfekten Körper, spricht sie heute über Psychotherapie, Esstörung und mentale Gesundheit. Sie schreibt ein Buch - diesmal ohne Rezepte, dafür mit vielen persönlichen Eindrücken in ihre Gefühlswelt. "Comeback Stronger" lebt von Transparenz, schonungsloser Ehrlichkeit und hilfreichen Expertentipps.
Ihre Transparenz behält Sophia auch in unserem Interview bei. Wir sprechen über Therapien, Heilung und die Gefahren von Social Media - für Influencer:innen wie Follower:innen.
styleranking: Wie ist es dir in den vergangenen Wochen ergangen?
Sophia Thiel: Ich bin total froh, dass ich wieder normal arbeiten kann. Ich habe mich in meiner Auszeit total unproduktiv und ungebraucht gefühlt. Jeder Mensch braucht eine Aufgabe und das Gefühl gebraucht zu werden. Deswegen habe ich mich gefreut, dass die Positionierung gut funktioniert hat. Die Rückkehr hat sich angefühlt wie eine Blackbox. Aber viele Menschen zeigen Interesse an den neuen Themen. Das freut mich.
Allerdings ist auch der Stress zurück. Ich versuche immer Lücken zu füllen, was in der Praxis manchmal eine schlechte Idee ist. Das kann schnell überfordern. Ich merke auch, dass die Ernährung noch eine Härteprobe ist. Ich habe schon vieles erreicht, weiche aber gerade in Stresssituationen auf altes Verhalten aus. Die Bulimie ist noch da. Ich habe vermutlich mein ganzes Leben lang damit zu tun. Es wird mit der Zeit leichter und es war nie wieder so schlimm, wie vor oder während meiner Auszeit. Mir geht es jetzt sehr gut. Ich fühle mich frei und glücklich.
styleranking: Bemerkst du in den Reaktionen auf deinen Content einen Unterschied zu früher?
Sophia Thiel: Mich erreichten vor der Auszeit mehr Hate-Kommentare als heute. Vermutlich, weil ich mich damals als Fitnesstrainerin positioniert habe und damit eine große Angriffsfläche geboten habe. Heute finden es viele gut, wenn ich über persönliche Themen rede. Ich glaube, das nimmt Druck. Natürlich ist die Ernährung wichtig für Wohlbefinden und Lebensqualität, aber es ist nicht alles. Es muss in Kopf und Gefühlswelt passen, sonst bringt der beste Ernährungsplan wenig. Deswegen wollte ich entweder mit der neuen Themen-Ausrichtung weiter machen oder komplett aufhören.
"Ich wurde zu einem ”Sklaven der Zahlen”"
styleranking: Gab es Leute in deinem Umfeld, die die Veröffentlichung deiner Geschichte kritisch beurteilt haben?
Sophia Thiel: Meine Familie hat gefragt, ob ich mir sicher bin. Ich werde in meinem Buch sehr plastisch und erzähle fast alles aus meinem Leben. Es gibt einige Sachen andere Personen betreffend, die ich aus rechtlichen Gründen auslassen musste. Mir gegenüber war ich schonungslos. Ich bin mir sicher, dass Menschen in der gleichen Situation mehr mit der harten Ehrlichkeit als mit diffusen Erklärungen anfangen können. Verschwiegenheit verschlimmert die Situation. Wer das Gefühl hat, seine Probleme nicht beim Namen nennen zu dürfen, bleibt im Teufelskreislauf gefangen. Deshalb habe ich Dinge klar benannt und dadurch schnell erfahren, dass ich nicht alleine bin.
styleranking: Warum entscheiden sich dennoch so viele Menschen dafür - gerade online - nur den perfekten Teil ihres Lebens zu teilen?
Sophia Thiel: Jeder Influencer - egal wie groß - vergleicht sich unterschwellig mit anderen. Da hat sich eine perfekte Scheinwelt aufgebaut und jeder denkt, dass er mithalten muss. Wir halten das oberste Level für relevant und alles darunter fällt in die Kategorie “Versagen”. Wir versuchen, uns in ein Schema zu pressen und den Inhalt zu finden, der auf den eigenen Kanälen am besten performt. Ich habe nie versucht etwas zu kopieren, aber ich wurde zu einem ”Sklaven der Zahlen”. Mir wurde klar, dass auf meinem Profil Bilder von Sixpacks und meinem Arsch gut ankamen. Also gab es dazu jede Menge Content. Ich weiß heute, dass ich sowas eigentlich nicht posten möchte, da es nicht meiner Person entspricht. Ich finde andere Bilder von mir schön.
Hinzu kommt, dass ich mit diesen Bildern Druck auf meine Follower ausgeübt habe. Auch die vergleichen sich und fragen sich, warum ihr Leben weniger perfekt wirkt. In mir kam ebenfalls die Fragen auf, warum bei Instagram oder YouTube immer alle so gut drauf sind. Warum hat niemand Probleme? Warum gehe ich kaputt und sonst keiner? Die Wahrheit ist: Jeder Mensch hat ein belastendes Päckchen zu tragen - mal größer, mal kleiner.
Ich habe Bestätigung für extreme Diäten und Training bekommen, was mir gut getan hat. Auch wenn ich dafür leiden musste. Andere bekommen Bestätigung, weil sie einen gewissen Look haben oder hungern. So verlierst du, was du wirklich willst. Deine Werte verschwinden schrittweise. Ich durfte jetzt lernen, dass schonungslose Ehrlichkeit viel von diesem Druck nimmt und auch Hatern die Angriffsfläche entzieht. Sobald du etwas verbirgst, spekulieren sie, ob man schwanger sei oder nur noch fressen würde. Ich sage heute ehrlich, dass ich an einer ernsthaften Essstörung leide.
styleranking: Man erlebt immer wieder, dass Menschen Komplimente verteilen, wenn jemand abgenommen hat oder schlanker aussieht - obwohl der Hintergrund meist unbekannt ist. Denkst du, dass wir auch offline unsere Perspektive verändern müssen?
Sophia Thiel: Online beeinflusst massiv unser Offline-Leben, weil sich dort viele Menschen inspirieren lassen - schaut man sich nur das Beispiel Mode an. Es muss aber auch offline etwas getan werden. Psychische Krankheiten werden häufiger und kennen kein Alter, kein Geschlecht und keine Herkunft. Über 30 Millionen Menschen sind allein in Deutschland betroffen. Die Dunkelziffer dürfte wesentlich höher ausfallen.
Ich habe eine Umfrage gestartet und gefragt, wie es meinen Followern psychisch geht. Über 70 Prozent haben ,,nicht optimal’’ angeklickt. Ich frage mich dann, warum sie mein Video zum Thema "Psychotherapie" nicht ansehen. Die Hemmungen scheinen groß, was das Thema Therapie betrifft. Die Videos zu meiner Essstörung klicken deutlich mehr Menschen an. Dabei ist es so wichtig, sich Hilfe zu holen.
styleranking: An welchem Moment hast du gemerkt, dass du externe Hilfe brauchst?
Sophia Thiel: Es hat langsam angefangen nach meinen Wettkämpfen 2014/2015. Ich habe aufgrund des Extremzustandes komische Bedürfnisse entwickelt, die ich zu unterdrücken versucht habe. Es fühlte sich an, als würde man einen Deckel auf ein volles Fass drücken. Ich wollte die Kontrolle behalten. Aber diese extreme Kontrolle führte immer wieder zum Kontrollverlust. Dann bin ich wieder in das Muster gefallen - die Bulimia Nervosa. Ich Schnitt erkranken Betroffene fünf Jahre lang, so wie ich auch. Ich bin in die Auszeit gegangen und dachte, ich würde die Erkrankung selber in den Griff bekommen, indem ich mich an alte Trainings- und Ernährungspläne halte. Ich dachte, dann kann ich wieder online sein und fühle mich glücklich. Ich wollte mein Äußeres manipulieren, damit ich mit meinem Inneren zufrieden bin. Damit bin immer wieder auf die Schnauze geflogen. Als ich meinen Freund kennenlernte, veränderte sich alles. Ich wollte ihm keinesfalls diese Seite von mir zeigen. Ich dachte, dass ich mich endlich verändern kann, weil mir einfach Liebe gefehlt hat. Für mich war die Beziehung der Schlüssel, die Essanfälle kontrollieren zu können.
Nach drei Monaten kehrten sie zurück. Ich war frustriert und verzweifelt. Eines Tages hat mich mein Freund auf frischer Tat ertappt. Ich konnte mich nicht erklären und dachte, jetzt würde ich ihn verlieren.
Mein Lügengerüst fühlte sich an, wie ein kriminelles Doppelleben. Die Bulimie hindert am Arbeiten, fördert Spannungen unter Freunden und innerhalb der Familie. Lügen gehören dazu - nicht, um anderen Schaden zuzufügen, sondern um das eigene Verhalten zu vertuschen. Irgendwann wurde klar, dass mir nur eine Therapie hilft. Das war die beste Entscheidung, die ich treffen konnte.
"Alles fühlte sich stumpf und taub an, ich war meilenweit von mir selbst entfernt"
styleranking: Mit Blick auf die Bulimie: Welche Reaktionen von außen sind angebracht und welche nicht?
Sophia Thiel: Auf Äußerlichkeiten reduziert werden ist schlimm, besonders, wenn man mit einer Essstörung zu kämpfen hat. Dazu zählen auch vermeintliche Komplimente wie: ”Oh, du hast abgenommen! Du siehst wieder richtig gut aus.’’ Das klingt, als habe man zuvor schlecht ausgesehen. Mich hat diese Bewertung des Äußeren sehr getriggert. Auch die Bewertung des Essverhaltens hat emotionale Reaktionen in mir ausgelöst.
Gut getan haben mir Sätze wie: “Du bist wieder ein richtiger Sonnenschein.” Das hat mir wirklich gefallen. Der Blick auf meine innere Entwicklung war wunderbar. Ich war anscheinend vor meiner Auszeit wie auf Autopilot geschaltet und kaum richtig anwesend. Alles fühlte sich stumpf und taub an, ich war meilenweit von mir selbst entfernt.
Es hat mir auch geholfen, etwas mit Freunden oder der Familie zu unternehmen. Das wollte ich lange Zeit nicht. Es war schön, an den normalen Dingen des Lebens teilzuhaben und auch über Belanglosigkeiten zu sprechen, statt immer über Probleme. Das verlagert den Fokus und bringt Leichtigkeit zurück.
Ich erinnere mich an einen Abend, als ich mit einer Freundin essen ging. Mein Kopfkino lief sofort, ich machte mir Gedanken über den Salat und ob ich auf das Dressing verzichten sollte. Sie sagte einfach: ,,Hey wir essen Pizza, willst du auch Pizza essen?’’ Das war ein krasser Moment. Ich durfte einfach etwas essen, ohne dafür bewertet zu werden. Das macht einen großen Unterschied zu Aussagen, wie: ,,Willst du jetzt wirklich Pizza essen? Das wäre vielleicht keine gute Idee."
styleranking: Kannst du Essen heute aus einer Genuss- oder Gesellschaftsperspektive sehen?
Sophia Thiel: Was vor einem Jahr unmöglich gewesen wäre, ist heute Normalität. Dazu zählt, dass ich mir Essen bestelle. Das habe ich früher nie gemacht, auch Restaurantbesuche waren undenkbar. Ich konnte schließlich nicht kontrollieren, was in den Gerichten steckt. Ich war abhängig davon, eigenes Essen vorzubereiten. Noch so ein schleichender Prozess, der den Genuss in den Hintergrund gedrückt hat. Loszulassen habe ich erst in meiner Therapie gelernt. Dabei geht es darum, das strenge Regiment gehen zu lassen und Normalität Raum zu geben. Es hat mir geholfen, wie ein normaler Mensch ins Restaurant zu gehen. Ich habe die sozialen Aspekte von Essen kennengelernt und gemerkt, wie sehr es mir gefehlt hat, mit Menschen im Restaurant zu sitzen. Früher dachte ich wirklich, das nicht zu brauchen. Ich habe immer nur einen Löffel bestellt, da ich mein Essen dabei hatte. Heute schränke ich mich weniger ein.
Es ist auch unlogisch, im Restaurant nur den Salat zu essen und dann bei einem Essanfall Zuhause das 100fache zu sich zunehmen. Da nehme ich besser direkt die Pizza, statt später Essen im kalorischen Gegenwert von 10 Pizzen. Sich Dinge zu erlauben, die einen glücklich machen, ist wichtig. Gedanken, ob ich die Bowl mit oder ohne Soße essen, gehören der Vergangenheit an.
Natürlich fordern mich manche Lebensmittel heraus. Eine ganze Pizza, Süßigkeiten oder Schokolade befeuern mein Kopfkino. Ich verfolge weiterhin einen bewussten und gesunden Ernährungsansatz. Gesunde Lebensmittel schmecken mir und tun mir gut. Langfristig möchte ich eine gesunde Balance zwischen Flexibilität und Genuss, aber auch bewusster und gesunder Ernährung erreichen.
styleranking: Wie gehst du heute mit Social Media um?
Sophia Thiel: Früher dachte ich, viel hilft viel. Heute setze ich Qualität vor Quantität. Wer die Follower zuballert, setzt sich selbst und die Konsumenten unter Druck. Man hat permanent das Handy in der Hand und muss posten, sodass Social Media zum Fulltimejob wird. Heute achte ich mehr auf meine Belastungsgrenze. Wenn ich auf dem Zahnfleisch gehe und kein Bild poste, ist das okay. Deswegen entfolgen mir nicht eine Million Menschen.
styleranking: Wie sollten wir als Follower:innen unsere Kommunikation bei Social Media anpassen, um weniger Druck aufzubauen?
Sophia Thiel: Es wäre schön, wenn Follower mehr reflektieren, wem sie folgen und wie der Content sie beeinflusst. Grundsätzlich sollten wir nur solchen Accounts oder Personen folgen, die uns gut tun. Es gibt Leute, die einen unterbewusst unter Druck setzen oder mit negativen, destruktiven Beiträgen triggern. Deswegen brauchen wir einen bewussteren Umgang mit Social Media. Zu diesem Thema habe ich auch ein YouTube-Video produziert. Unbewusstes Scrollen kann ein negatives Gefühl hinterlassen. Das bestätigen mir viele Menschen in Gesprächen. In der Auszeit habe ich mich komplett von Social Media abgekapselt, was mir leichter fiel, als gedacht. Da kam natürlich viel freie Zeit auf mich zu und ich habe mich manchmal einsam gefühlt. Deswegen rate ich zu hinterfragen: Wie viel konsumiere ich? Wann und wen konsumiere ich?
styleranking: Deine Follower:innen sind dir auch in deiner Abwesenheit treu geblieben. Wie gestaltet sich die Beziehung zu ihnen heute?
Sophia Thiel: Mich haben sehr viele Nachrichten erreicht. Viele haben geschrieben, dass sie den neuen Content erleichternd finden, das er ihnen Druck nimmt oder sie mit der neuen Sophia mehr anfangen können. Ich habe mit Training und Diät viel Druck aufgebaut, das ist mir heute klar.
Die schönsten Nachrichten sind die, in denen Follower berichten, dass sie sich Hilfe geholt haben. Das ist das Ziel. Das kann eine Therapie, aber auch ein anderer Weg sein. Unsere Päckchen sind unterschiedlich schwer. Bei mir war es zu schwer, um es länger allein zu tragen. Wichtig ist, sich mit seinen persönlichen Themen auseinander zu setzen und nichts zu verschleppen. Je eher, desto besser.
"Ich glaube, dass alles so gekommen ist, wie es kommen musste - auch wenn der Weg teilweise schmerzhaft war"
styleranking: Du hast in einem früheren Interview mit uns einmal gesagt: “Ich liebe es, dass mein Körper wie eine Maschine funktioniert”. Was löst dieser Satz heute in dir aus?
Sophia Thiel: Wenn der Körper im Training ist, funktioniert er wie auf Abruf. So eine Sportroutine führt dann zu einem maschinellen Modus. Du kannst Leistung abrufen, ohne Schwach zu werden oder Schmerzen zu spüren. Das ist ein cooles Gefühl und ich mag Sport nach wie vor sehr gern. Maschinell abarbeiten im Sinne von Diätpläne befolgen und keine Emotionen fühlen, bewerte ich heute sehr kritisch. Ich wollte einfach eine Maschine werden, weil mich Emotionen wie Wut, Trauer und Enttäuschung aus dem Konzept geworfen haben und meine Ernährung beeinflusst haben. Heute sage ich: Beim Training ist es okay, eine Maschine zu sein. Ansonsten darf ich gerne Mensch sein.
styleranking: Wie blickst du auf die Sophia vor der Auszeit zurück?
Sophia Thiel: Ich kann mich schwer in mein damaliges Ich hineinversetzen. Wie ich gedacht habe, wie ich gehandelt habe. Ich verurteile mich aber nicht. Ich glaube, dass alles so gekommen ist, wie es kommen musste - auch wenn der Weg teilweise schmerzhaft war. Ich musste Lehrgeld zahlen. Dafür kann ich im Alter von 26 Jahren beginnen, an meinen Päckchen zu arbeiten. Das erleichtert mich.
Heute kann ich sein, wer ich bin. Ich habe schon früher YouTuber und Influencer bewundert, die sich fernab irgendwelcher Beauty-Standards treu waren. Das war mein größter Wunsch.
styleranking: Auf welche Blickwinkel und Fähigkeiten bist du so richtig stolz?
Sophia Thiel: Ich bin flexibler geworden und kann wieder richtige Emotionen empfinden - darunter auch Vorfreude und positive Gefühle. Mir gelingt es besser, am normalen Leben teilzunehmen und mit meinem Freund spontan einen Roadtrip zu machen. Es fällt mir leichter, mit neuen Situationen besser umzugehen und ich gehe mit mir selbst feinfühliger um.
styleranking: Du teilst wieder Workouts bei YouTube: Was hat sich bei deinem Fitness-Content verändert?
Sophia Thiel: Ich bin immer noch ein Fan von Bodybuilding und Kraftsport. Ich zwinge mich nicht zum täglichen Training, weil ich weiß, dass mein Körper das auf Dauer verweigern würde. Mein Körper benötigt Regeneration.
In meinen Online-Programm habe ich klassische Übungen und Trainingsprogramme gezeigt, an die ich mich selbst hätte halten sollen. Ich bin mit meinen Ratschlägen zu aggressiv umgegangen. Deswegen trainiere ich heute flexibler. Während der Corona-Pandemie habe ich weniger trainiert und ich fühle mich nicht besonders fit - aber das ist okay. Ich freu mich, wenn ich wieder öfter ins Gym gehen kann. Eine Stunde Training ist aber genug.
"Wenn ich Kinder haben möchte, ist Social Media für mich vorbei"
styleranking: Könntest du dir vorstellen, deine Autorentätigkeit weiter auszubauen?
Sophia Thiel: Ich habe das Buch mit Unterstützung fertiggestellt. Meine wirren Gedanken wurden strukturiert, ich habe aber jedes einzelne Wort selbst geschrieben. Deswegen habe ich großen Respekt vor dem Arbeitsumfang entwickelt und finde sehr bemerkenswert, was eine Autorin wie J.K. Rowling mit ihrer Kreativität geleistet hat. Meine eigene Geschichte war leicht zu erzählen. Ich kann mir aber schlecht vorstellen, als Autorin im klassischen Sinne zu arbeiten.
Social Media ist aktuell ein großer Bestandteil meines beruflichen Lebens - vor allem, um Unterstützung und Mehrwert zu bieten, wie eine gute Freundin oder ein Kummerkasten. Heute fokussiere ich den Bereich mentale Gesundheit, statt körperliche Perfektion. Mit meinem Freund habe ich zudem ein Start-up gegründet, das zu meinem zweiten Standbein werden soll. Dabei geht es um das Thema Mental Health. So mache ich mich langfristig unabhängiger von Social Media. Ich sehe meine Präsenz dort nämlich mit Ablaufdatum. Wenn ich Kinder haben möchte, ist Social Media für mich vorbei.
styleranking: Was würdest du Influencer:innen heute raten, um sich unabhängig von einzelnen Social Media-Plattformen zu machen.
Sophia Thiel: 100 Prozent Social Media bedeutet 100 Prozent Abhängigkeit. Deshalb sollte sich jeder ein zweites Standbein aufbauen - vor allem mit Blick auf die Rente. Social Media ist schnelllebig und laut. Es rücken ständig neue Protagonisten nach und der Markt ist übersättigt. Jeder Mensch schätzt einen gewissen Grad an Sicherheit. Dazu gehört dann z.B. das verdiente Geld gut anzulegen oder sich an anderen Projekten zu beteiligen.
styleranking: Was ist dein wichtigster Tipp für alle, die jetzt in die Influencer-Branche einsteigen?
Sophia Thiel: Ob Fitness, Comedy oder Beauty - es wird immer schwieriger, Fuß zu fassen. Ich glaube, dass es für die Influencer der ersten Stunde am coolsten war. Früher hat man auch mehr verdient, als heute. Influencer müssen klar wissen, was sie von anderen unterscheidet. Im Fitnessbereich war mein Erfolgsfaktor das Vorher-Nachher-Bild. Man sollte sich fragen: Hat man ein besonderes Talent? Ist man besonders sympathisch? Wie kann der Mehrwert für die Follower aussehen? Es ist wichtig, ein höheres Ziel als die reine Selbstdarstellung zu verfolgen.
styleranking: Vielen Dank für das Interview, Sophia.