PR & Talent ManagementVanessa Losch: "TikTok-Creators sind Allround-Talente und meistens die besseren Storyteller"
2005 nutzt Vanessa Losch noch Faxgeräte, heute realisiert sie TikTok-Kampagnen.
Vor 15 Jahren gründet Losch die PR-Agentur V.Communication. Sie positioniert sich im Luxus- und Premiumsegment, betreut internationale High Fashion Brands wie Fendi und macht sich in der Branche einen Namen. Später kommt eine zweite Agentur hinzu - The People Agency. Vanessa Losch verantwortet nun das Talent Management namenhafter Creators wie Chris Krömer, Gianna Bacio oder Cleopatra von Oettingen.
Wie kann eine Karriere über so viele mediale Entiwcklungsstufen hinweg gelingen? Und wie blickt Vanessa Losch heute auf Potenziale und Prozesse der sozialen Medien?
Wir haben nachgefragt und uns mit Vanessa zum Interview verabredet. Wir sprechen über die Zusammenarbeit mit High Fashion Brands, das Skill-Set von Creators und die Anforderungen ans Personalmanagement in Agenturen.
styleranking: Wie sieht dein beruflicher Alltag aus?
Vanessa Losch: Ich entwickle strategisches Talentbranding und PR Strategien für internationale Unternehmen. 2019 habe ich neben der PR-Agentur eine Social Media-Agentur und Beratungsagentur für Influencer:innen gegründet. Ich lebe in zwei Welten: Zum einen in der klassischen PR und zum anderen arbeite ich mit Talents und entwickle Personal-Branding-Strategien.
Mein:e jüngste:r Kund:in ist 16 Jahre alt, mein:e älteste:r 50 und Unternehmen teilweise über 100 Jahre alt. Das Spektrum meines Jobs ist sehr umfangreich.
styleranking: Was sind deine wichtigsten Skills, um diesen Job machen zu können?
Vanessa Losch: Mich zeichnet meine Emotionalität aus. Das kann gut und schlecht sein, wie jede:r weiß, der mit mir arbeitet. Ich fühle mit Menschen, statt nur mit ihnen zu arbeiten. Außerdem gehören mein Mindset und der Mut zum Risiko zu meinen wichtigsten Eigenschaften. Ohne Mut zum Risiko kann ich nichts gewinnen. Ich agiere deswegen nach dem Prinzip “try and error”. Außerdem bin ich eine Teamplayerin. Denn ohne Team, ist man nur halb so stark.
styleranking: Wo liegen die Schwerpunkte deiner beiden Agenturen?
Vanessa Losch: Mit V.Communication sind wir eine klassische PR-Agentur für die DACH-Märkte. Hier bedienen wir Printmedien, TV, Radio und die gesamten digitalen Kommunikationskanäle.
Mit The People Agency agieren wir international und betreuen und platzieren Talents weltweit. Hier arbeiten wir sehr strategisch und entwickeln zusammen mit den Talents eine Positionierung. Wir kümmern uns privat und beruflich in allen Lebenslagen um die Talents.
"Die erste Show ohne Karl Lagerfeld war so besonders, da bekomme ich heute noch Gänsehaut"
styleranking: Welche Momente deiner Karriere in der High Fashion sind dir besonders in Erinnerung geblieben?
Vanessa Losch: Ich hatte das große Glück, mit der Marke Rimowa starten zu können. Die Brand war vor 15 Jahren noch nicht so bekannt, aber stand für Herz, Tradition und Handwerk. Dann kam der Gewinn von Fendi, was für uns das Nonplusultra war. Aktuell betreuen wir z.B. die Brand Dior, das ist ein großes Glück. Von Luxusmarken wird man einfach mitgerissen.
Es gab aber auch weniger schöne Momente, wie den Tod von Karl Lagerfeld. Es verstarb zwei Tage vor der Fendi Show. Die erste Show ohne ihn war so besonders, da bekomme ich heute noch Gänsehaut.
styleranking: Wie hat sich die Branche im Laufe deiner Karriere verändert?
Vanessa: Wir müssen heute breiter aufgestellt sein. Trendgespür und die Fähigkeit, gute Stories zu kreieren, hat man für PR schon immer gebraucht - früher offline, heute online. Die Vernetzung und der persönliche Kontakt sind nach wie vor extrem wichtig. Außerdem hat die Diversität der Kanäle zugenommen.
styleranking: Sind Social Media-Kontakte, z.B. via LinkedIn eine echte Alternative, wenn es um gutes Networking geht?
Vanessa Losch: Wer etwas erreichen will, muss sich zusammensetzen und sprechen. Ich habe damals noch Faxe geschickt und Dias geschnitten, dann kam das Internet und digitale Mailings. Die Erfolgsrate hier ist jedoch gleich Null, der direkte Kontakt ist extrem wichtig.
styleranking: Social Media hat deine Arbeit sicher beschleunigt. Wie relevant ist es, immer am Zeitgeist zu agieren?
Vanessa Losch: Ich versperre mich keinem Thema, auch aufgrund meiner Kinder. Bei TiKTok war ich allerdings eine Spätzünderin. Aber dann hat es mich gepackt. Die Gen Z wächst mit dem Internet und mit Freiheit, Dynamik und vor allem Vielfältigkeit auf - das fasziniert mich.
styleranking: Welcher Trend auf TikTok hat dich besonders begeistert?
Vanessa Losch: Der #youareenough Trend.
styleranking: Wie bewertest du den Arbeitsaufwand und die Forderungen, die heute an Creators gestellt werden - besonders durch die vielen Kanäle, die es zu bespielen gilt?
Vanessa Losch: Wir betreuen eine Gruppe von über 30 Creators, da bekommen wir die Probleme mit. Es muss nicht jede:r Creator:in auf jeder Plattform sein. Frei nach dem Motto "Back to the roots” sollten sich die Creators treu bleiben. Jede Plattform hat ihre eigene DNA und ich finde es falsch, daran alles zu verändern.
Zudem lohnt sich ein Blick auf unterschiedliche Anforderungen verschiedener Branchen. Nicht immer ist Video das beste Format.
"Ich finde es total okay, Content zu recyclen und auf verschiedenen Kanälen auszuspielen"
styleranking: Wie hat sich der Zeitaufwand für die Content-Erstellung verändert?
Vanessa Losch: Es kommt auf die Skills an. Viele Talents bleiben auf Instagram, weil sie keine Skills für Videos aufbauen. Dabei gibt es viele Vorteile, wenn man Foto und Video beherrscht. Ich finde es auch total okay, Content zu recyclen und auf verschiedenen Kanälen auszuspielen, um eine größere Reichweite zu erzielen.
styleranking: Glaubst du, TikTok kann oder sollte Instagram ablösen?
Vanessa Losch: Immer, wenn eine neue Plattform erfolgreich wird, stellt sich diese Frage. Ich glaube, die Bandbreite macht den Reiz aus. Es ist gut, dass es verschiedene Plattformen gibt, so lassen sich Werbebotschaften branchenspezifisch platzieren.
styleranking: Was zeichnet gute TikTok-Creators aus?
Vanessa Losch: TikToker:innen sind Allround-Talente und meistens die besseren Storyteller. Das wird auch vom Videoformat beeinflusst, das Geschichten besser erzählbar macht. Skills wie Videoschnitt, schnelles Aufgreifen von Trends und die Kommunikation mit der Community sind wichtige Eigenschaften von guten TikTok-Creators.
styleranking: Wie bewertest du die Entwicklung von Werbepartnerschaften bei TikTok?
Vanessa Losch: Die Preisstruktur bei TikTok hat sich sehr nach oben entwickelt, was mit der steigenden Followerzahl zusammenhängt. Viele Creators wachsen auf Instagram, können dann aber kein hohes Engagement mehr verzeichnen. Deshalb sollten die Preise hier nicht so stark steigen.
styleranking: Woran sollte TikTok arbeiten, um eine inklusive Plattform zu werden?
Vanessa Losch: TikTok steht speziell im Journalismus in der Kritik. Ich finde, TikTok engagiert sich extrem im Bereich Aufklärung und mit Angeboten wie “Lernen mit Tik Tok”. Man muss sich vor Augen halten, dass TikTok und Instagram für die Gen Z wie eine Suchmaschine funktionieren.
Wir versuchen, gemeinsam mit TikTok und unserer Creatorin Gianna Bacio, die Themen Aufklärung und Sexualität weiter in den Fokus zu rücken. Ich würde jedem Management raten, eng mit TikTok zusammenzuarbeiten, um sicherzustellen, dass die Themen richtig platziert werden. TikTok nimmt Feedback gerne an.
Ein weiteres Feld, was in Zukunft thematisch wachsen wir, ist der Bereich Job und Personal.
styleranking: Was braucht ein Creator, um bei The People Agency aufgenommen zu werden?
Vanessa Losch: Uns ist besonders die persönliche Ebene wichtig. Vertrauen spielt dabei eine große Rolle und die Bereitschaft, gemeinsam durch Höhen und Tiefen zu gehen. Wir konzipieren eine gemeinsame Vision und deswegen haben die Anzahl der Follower:innen oder andere Zahlen nicht die höchste Priorität.
styleranking: Denkst du, die Bereiche PR und Talentmanagement sollten im Influencer Marketing enger zusammenarbeiten?
Vanessa Losch: Das Miteinander dieser beiden Bereiche ist sehr wichtig, deshalb arbeiten meine beiden Agenturen auch so eng zusammen. Nicht jedes Talent verfügt über eine Story, deswegen müssen ggf. individuelle Strategien entwickelt werden. Dabei kann die Platzierung in der Presse, je nach Positionierung, hilfreich sein.
"Die klassischen Medien sind nach wie vor wichtig und Talents wollen dort platziert werden"
styleranking: Wie wichtig ist ein klassischer Promi-Status für einen Social Media-Creator?
Vanessa Losch: Das ist das Nonplusultra. Die klassischen Medien sind nach wie vor wichtig und Talents wollen dort platziert werden, weil sie die Power dieser Kanäle kennen. Ich finde die Kombination auch gut, weil mein Herz für die PR schlägt. Mittlerweile sehen wir allerdings viele Talents, die eine Präsenz in den klassische Medien nicht mehr brauchen.
styleranking: Wo kommen Creators und Marken nicht auf einen gemeinsamen Nenner und in welchen Bereichen läuft es gut?
Vanessa Losch: Markenvertreter:innen müssen ihr Mindset schon beim Sourcing erweitern. Häufig geht es den Brands weniger um den Content, als mehr um die Metriken und Zahlen. Wir bestätigen deshalb unsere Projekte erst dann, wenn uns ein Briefing vorliegt, damit wir sehen, ob der Content zum Talent passt.
Teilweise wird die Arbeit der Creators nicht wertgeschätzt und hinterfragt. Ich glaube, ein persönliches Kennenlernen ist sehr wichtig. Marken und Creators müssen Vertrauen zueinander aufbauen.
styleranking: Rechtschreibung, Pünktlichkeit, das Lesen von Briefings: Sind das Vorraussetzungen für euch, um mit einem:r Creator:in zu arbeiten?
Vanessa Losch: Für uns sind diese Skills extrem wichtig. Vor allem geht es aber darum, zu wissen, worauf man sich einlässt. Gewisse Starallüren hat jede:r von uns. Ich glaube an einen gesunden Mix von Eigenschaften.
styleranking: Worauf legt ihr Wert, wenn ihr neue Mitarbeiter:innen sucht?
Vanessa Losch: Flexibilität und Spaß an der Arbeit. Wir haben hier immer etwas zu lachen. Man sollte auch ein bisschen verrückt sein, sowie die Influencer:innenwelt es manchmal ist. Trotzdem lege ich Wert auf Zuverlässigkeit und einen gewissen Drive. Wir sind ein mega Team und da muss die neue Person reinpassen.
styleranking: Wie muss sich die Agenturbranche entwickeln, um gute Leute aus der Gen Z zu bekommen?
Vanessa Losch: Agenturen brauchen gewisse Werte, die in den Strukturen gelebt werden. Jungen Leute wollen involviert werden und hinter dem stehen, was sie tun. Eine gemeinsame Vision ist deswegen extrem wichtig.
Auch müssen Veränderungen angeschoben werden, die für uns als kleinere Agentur leichter umzusetzen sind. Aber flexible Arbeitsmodelle anzubieten kann einfach sein. Wir bieten zum Beispiel eine 4-Tage Woche, Flexibilität für Mütter und Flexibilität des Standorts an. Die Zufriedenheit der Mitarbeiter:innen ist ein wichtiger Faktor, weil die Angestellten das Aushängeschild einer Agentur sind.
styleranking: Worin besteht die wichtigste Daseinsberechtigung von Agenturen?
Vanessa Losch: Ich bin da sehr offen und konstruktiv. Nicht jede Marke braucht eine Agentur.
Wichtig ist, dass Brands inhouse Leute haben, die für Marketing und Kommunikation zuständig sind und als Ansprechpartner:innen dienen. Alles, was diese Personen nicht leisten können, holt man sich aus dem Agentur-Werkzeugkasten dazu. Niemand kann alles. Den Marken sollte also bewusst sein, was sie brauchen und wie viel Budget sie investieren möchten.
styleranking: Vielen Dank für das Interview, Vanessa.