KommentarWarum wir Streamern wie Knossi und MontanaBlack nicht gedankenlos zujubeln sollten
Knossi und MontanaBlack - Aushängeschilder der deutschen Streaming-Bubble - haben es endlich auf den Radar der Influencer Marketing-Professionals geschafft. Wer wie Knossi mit Mega-Events wie Angel-und Horrorcamp weit über 300.000 Zuschauer im Live Stream erreicht, macht irgendwas richtig. Auch die ersten Brands bemerken, dass da ein Zug mit viel Potenzial heran rollt. Knossi nimmt sogar im renommierten OMR-Podcast von Philipp Westermeyer Platz.
Aber wem jubeln wir da eigentlich zu? Während bei Influencer:innen häufig die Moralkeule geschwungen wird - sei es in Bezug auf zu viel oder wenig Engagement, Nachhaltigkeit, Vorbildfunktion, Konsum-Ethik oder - Vorsicht Buzzword - Authentizität, genießen die deutschen Streamer anscheinend Narrenfreiheit. Dabei verhalten sich gerade Knossi und MontanaBlack bisweilen alles andere als vorbildlich.
Philipp Westermeyer sagt über seinen Podcast mit Knossi “Wahrscheinlich einer der eindrucksvollsten Podcasts, die ich je aufgenommen habe.” Wer also ist Knossi?
Jens Richard Knossalla bezeichnet sich selbst als “Der einzig wahre König”, sitzt in der Talkshow von Klaas Heufer-Umlauf und hängt mit Pietro Lombardi und Rapper Sido rum. Mit "Täglich frisch geröstet" hat Knossi mittlerweile seine eigene Show bei RTL. Dort twerkt er mit Jan Hofer. 1,4 Millionen Instagram-Follower:innen, 1,6 Millionen Twitch-Follower:innen, 1,1 Millionen YouTube-Abonnent:innen und hunderttausende Zuschauer:innen bei seinen Live-Streams bescheren ihm hohe Reichweiten und einen Platz unter den erfolgreichsten deutschen Streamer:innen. Bei Knossi Merch gibt’s Pullover und Weihnachtskugeln, einen eigenen Song hat er auch. Ach ja, zu seinem Song gibt’s noch den passenden Schnaps. Erfolge, bei denen das Marketing-Herz schnell zu leuchten beginnt und möglicherweise überstrahlt, wofür Knossi noch steht.
Neben Sido oder Pietro Lombardi umgibt sich Knossi auch mit dem Satiriker Udo Bönstrup. Der Mann, der erst kürzlich in einen Sexismus-Shitstorm rund um Fitness-Coach Franziska Lohberger und Influencerin Louisa Dellert verwickelt war. Die ganze Geschichte gibt’s hier zum Nachlesen. Während sich Bönstrup über “hässliche ungefickte Speckstücke” aka Feministinnen echauffiert, prangert ganz oben in seinem Feed ein Bild, auf dem er und Jens Knossalla gemeinsam auf einem Bett liegen. Knossi postet das gleiche Bild.
Streamer:innen verdienen Geld, wenn die Community Geld verliert
Dann gibt’s da noch die Sache mit den Online-Casinos. Knossi streamt Online-Glücksspiele (ab Minute 4), bei denen er teilweise hohe Summen gewinnt. Er bewirbt damit sogenannte Online-Casinos und muss deshalb - richtigerweise - seine Streams mit dem Hinweis “Dauerwerbesendung” kennzeichnen.
In “Online Casinos - Wie Influencer an der Sucht anderer verdienen” skizziert Frontal21 die Erfolgsformel der Koalition aus Streamer:innen und Casinos so: Die Streamer teilen Links zu den entsprechenden Gaming-Plattformen in ihrer Community. Wer aus der Community klickt, spielt und verliert, beschert den Streamer:innen Provisionen von bis zu 50 Prozent des eigenen Verlustes. Die Streamer:innen verdienen also unter anderem Geld, wenn ihre Community Geld verliert. Auch das YouTube-Format Y-Kollektiv berichtet darüber.
Übrigens: Online Automaten-Glücksspiele sind nach dem aktuellen Glücksspiel-Staatsvertrag nicht erlaubt, werden aber geduldet. Ein neuer Glücksspiel-Staatsvertrag soll im Sommer 2021 in Kraft treten. Eine Ausnahme gilt schon jetzt für das Bundesland Schleswig-Holstein. Wie Online-Casinos damit ein profitables Schlupfloch generieren, von dem auch Streamer:innen profitieren, erklärt Jan Böhmermann.
Worüber noch diskutiert werden sollte? Knossi praktiziert Catcalling während er ein Auto testet, bezeichnet sich im Live-Stream als “Albino-Türke” oder äfft in diesem Video den Akzent von - Vorsicht Generalisierung - Thailänder:innen nach. Das Video entsteht gemeinsam mit Kollege MontanaBlack. Damit wären wir beim nächsten Goldjungen der deutschen Streamer-Bubble.
Die Erfolge von MontanaBlack lesen sich ähnlich, wie die von Knossi. Streamer mit 2,9 Millionen Follower:innen bei Instagram, 3,4 Millionen Follower:innen bei Twitch, 2,8 Millionen bei YouTube. Auch er hat einen eigenen Merch-Shop, auch er bricht Zuschauerrekorde. Auch er ist bei Instagram mit Pietro Lombardi, Kai Pflaume oder Bushido zu sehen. Auch er diskriminiert.
Marcel Eris, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, schmückt sich gern mit sogenanntem Realtalk. Authentisch soll es sein, wenn er zum Beispiel abseits seiner Gaming-Inhalte einen Sextalk abhält. “Ich persönlich habe kein Interesse daran, eine Frau mit Kondom zu bumsen”, heißt es da von ihm. Deshalb könne er nur verantwortungsvollen Sex haben. Weiter gibt er zu bedenken: “An meinem Penis klebt Fame”, weswegen er sich besonders vor Frauen hüten müsse, die nur an sein Geld wollten. Weiter sinniert er über die Übertragungswege von Aids. Damit habe er sich aber noch nicht so richtig auseinandergesetzt. Kurzer Reminder: Der Mann hat 3,4 Millionen Follower:innen, denen er diese Weisheiten mit auf den Weg gibt.
Überhaupt scheint das Frauenbild von Monte aka MontanaBlack überarbeitungswürdig. Der Spiegel berichtet über einen Thread bei Twitter in dem es heißt: “Als eine Twitter-Nutzerin sich öffentlich darüber beschwerte, dass ein Mann breitbeinig in der Bahn saß, kommentierte Eris: "Dämliches Weib such dir Hobbys :-) und zu Hause bist du die, die ihre Beine breit macht"
Diskriminierung als Basis von erfolgreichem Entertainment
Im Sommer 2020 wird MontanaBlack zeitweise von Twitch verbannt - ja, die Plattform macht sowas hin und wieder. Der Grund? Im Urlaub auf Malta fertigt er von seinem Balkon aus Spannerfotos einer Frau am Pool an, kommentiert mit “Zeig mal bisschen Titte” oder “Boah die ist geil, Digga” und sendet das ganze per Livestream in die Welt. Es gibt Gegenwind. Ein bisschen. Twitch reagiert immerhin und verbannt den Streamer für 33 Tage von der Plattform.
Frauen müsse man wie Hunde an der langen Leine halten, damit sie wiederkämen, erklärt er in einem seiner Streams. Beziehungstipps á la Monte.
Wie Catcalling funktioniert, stellt er während eines Livestreams in den Straßen von Malta unter Beweis. Diskriminierung als Basis von erfolgreichem Entertainment - willkommen im Jahr 2021.
Viele Menschen scheinen all das einfach witzig finden. Die Jungs sind eben authentisch. Die Wahrheit aber ist: Jeder Like, jede/r Abonnent:in, jeder Link-Klick ins Online-Casino, jeder Kauf im Merch-Shop und jede Kooperation legitimiert das Verhalten dieser Streamer. Es ist längst überfällig, dass sich die Influencer-Moralkeule über die Helden der deutschen Streamer-Szene hermacht und wir mindestens hinterfragen, wen wir da eigentlich so abfeiern.
Disclaimer: Keine Kritik ohne Selbstreflektion. Auch wir haben Knossi als Diskussionsteilnehmer für unser InfluencerCafé Virtual Edition zum Erfolg des Streamings angefragt. Diese Anfrage gilt es für uns ebenso zu hinterfragen.
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