Jahresrückblick 2021: Schöne Männer in Fahrstühlen, Zerstörung auf YouTube und Creators am Herd
Kommentar
Das Rezept für den perfekten Social Media-Content 2021 lautet wie folgt: Man nehme ein Video und wahlweise ein oder zwei - ach was soll's, eine ganze Gruppe ausgesprochen attraktiver Menschen. Die sollen dann lässig quer über die Straße laufen. Ein paar Slow-Motion-Effekte und etwas Popmusik von Måneskin später, belohnen Millionenreichweiten diese Meisterwerke der Social Media-Welt.
Wer zu Beginn des Jahres noch auf die große Kreativ-Offensive gehofft hatte, wurde von schönen Männern in Fahrstühlen und noch schöneren Paaren auf den Zebrastreifen der Nation eines besseren belehrt. 15 Sekunden Flirt-POV und eine Haarpracht zum Dahinschmelzen reichen, um 2021 zum Social Media-Star zu avancieren. Was sonst noch so passiert ist?
Oliver Pocher mag keine Influencer:innen. Haben wir jetzt alle verstanden. Rechtschreibfehler treiben seinen Puls dabei besonders in die Höhe. Das ist ja durchaus eine solide Grundlage, junge Creators quer durch das Internet zu hetzen. Glücklicherweise verstehen zunehmend mehr Menschen, worin der Unterschied zwischen konstruktiver Kritik und Mobbing besteht. Wir sind guter Dinge, dass Pocher 2022 endlich auch zu diesen Menschen zählt. Vielleicht erkennt er sogar, dass man Aufmerksamkeit abseits von Wut, Empörung und Bloßstellen generieren kann - obwohl das so wunderbar funktioniert. Frances Haugan, Whistleblowerin des Facebook - Entschuldigung - Meta-Konzerns erklärt diese Prinzipien 2021 sehr ausführlich. Nur, falls noch unklar sein sollte, warum Pocher's Bildschirmkontrolle so viele Aufrufe generiert.
Sollte Pocher das mit der quellenbasierten, gut recherchierten, konstruktiven Kritik nachgucken wollen, empfehlen wir Rezo. Der macht 2021 erneut mit ein bisschen Zerstörung via YouTube auf sich aufmerksam. 14 Millionen Aufrufe belohnen die umfangreiche Recherche-Arbeit und bringen den ein oder anderen Politiker ganz schön in Verlegenheit. Um es mit Rezos Worten zu sagen: Strong!
Was gab’s noch schönes, außer den Elevator-Boys? Es wird geschlemmt! “Das perfekte Dinner” sorgt mit einem Influencer-Spezial für überdurchschnittlich gute Quoten. Teilnehmerin Mademoiselle Nicolette steht uns kurz zuvor als Interview-Partnerin Rede und Antwort. Und siehe da - mit der Ausstrahlung merken wir einen ordentlichen Zuwachs der Leser:innenzahlen. Ein fettes Danke geht hiermit raus. Ansonsten stellt das Format eindrucksvoll unter Beweis: Product Placement beherrschen die Insta-VIPs tendenziell etwas besser, als Kochlöffel und Bratpfanne. Vom Kochbuch, über Pullover und Kunst bis hin zum Schnaps des Schwiegerpapas - in der Sendung findet alles Platz, was den Creators den ein oder anderen Euro auf’s Konto bringt.
Zugegeben, die Top 3 der erfolgreichsten deutschen Creators können darüber vermutlich nur lachen. Leonie Hanne, Pamela Reif und Caro Daur führen das Ranking zum Jahresende an und glänzen dabei mit Markenwerten von 8, 10 und fast 11 Millionen Euro. Was dabei noch ins Auge fällt: Alle drei sind sehr schlank, jung, weiß und blond. Diversität sieht etwas anders aus, liebe Brands. Ja, richtig gelesen. Dieses Memo geht an die Brands. Schließlich sind sie es, die Postings buchen, Budgets zahlen und somit den Marktwert eines Creators maßgeblich mitbestimmen. Also: 2022 bitte nicht nur LinkedIn-Beiträge zum Thema Vielfalt und Sichtbarkeit posten, sondern auch die Budgets diverser verteilen.
Ein paar richtig gute News hält das vergangene Jahr auch bereit. Diana zur Löwen ruft mit einigen Unterstützer:innen eine Petition für mehr Therapieplätze und kürzere Wartezeiten für psychsisch erkrankte Menschen ins Leben. Über 100.000 Unterschriften und konkrete Pläne im Koalitionsvertrag der Ampel sind das erfreuliche Ergebnis. Zu den vielen viralen Hits in diesem Jahr zählt außerdem das #signalforhelp der Canadian Women's Foundation. Die stille Handgeste bekannt durch Instagram und TikTok sorgte 2021 mutmaßlich dafür, eine junge US-Amerikanerin aus den Händen ihres Entführers zu befreien.
Was bleibt von diesem Jahr, außer unserem erwartungsvollen Blick auf sich öffnende Fahrstuhltüren? Sicher der Neujahresvorsatz, etwas eleganter Straßen zu überqueren. Und das gute Gefühl, dass Social Media nicht nur kurios, sondern auch richtig toll ist.