mf mgmt im Interview

Michael Fassl: "Wer eine Daseinsberechtigung hat und Reichweite aufbaut, sollte der Gesellschaft etwas zurückgeben"

Franziska Gajek
Von Franziska Gajek
12.05.2021 / 10:07 Uhr

Der Begriff "Influencer" - das stellt Michael Fassl schnell klar - beschreibt nicht ausreichend, was seine Talents leisten und können müssen.

Mit seiner Agentur mf mgmt betreut er Betty Taube, Swantje Paulina Wördemann und Sofia Tsakiridou. Die stehen zwar alle drei für hohe Reichweiten auf Social Media, aber eben auch für Model- und Moderationsskills, für Buchveröffentlichungen und Geschichten rund um Flugschule oder Yoga-Ausbildung.

Wir haben uns mit Michael Fassl zum Telefon-Interview verabredet und wollten wissen: Wie unterscheidet er Talents und Infuencer:innen? Was müssen Persönlichkeiten, die mehr als plattes Product Placement leisten, heute mitbringen? Und an welchem Punkt stehen auch Agenturen und Kunden in der Verantwortung, die Branche weiter zu professionalisieren?

Redakteurin Franzi verabredet sich mit Michael Fassl zum Telefon-Interview. Eine Stunde lang nimmt Michael uns mit hinter die Kulissen seiner Arbeit.   Copyright: Michael Fassl mf mgmt

styleranking: Warum ist der Bereich Talent Management so spannend für dich?

Michael Fassl: Ich habe Kommunikationswirtschaft studiert. Außerdem bin ich ausgebildeter Life Coach, Business Coach und Mediator. Vor meiner Selbstständigkeit habe ich für mittelständische Unternehmen und Konzerne gearbeitet, zum Beispiel als Sales Director in der Kosmetikindustrie. Auch klassisches Marketing habe ich gemacht, zudem konnte ich redaktionelle Erfahrung beim Fernsehen sammeln. Dort war ich für Unterhaltungs- sowie Abendsendungen zuständig, habe Moderatoren und Protagonisten betreut und gecastet. Ein Start-up hatte ich auch - eine der ersten Singlebörsen. Ich will nicht sagen, dass ich damit auf die Nase geflogen bin, aber es war in jedem Fall ein großes Verlustgeschäft. Die Idee war gut, aber wir haben eigenes Geld investiert und hatten zu wenig Erfahrung.

styleranking: Eine klassische Fuck-up Story.

Michael Fassl: Definitiv. Es war eine schöne Zeit, in der ich viel gelernt habe. Aber ich habe auch Geld verloren, für das ich vorher hart gearbeitet habe.

Für Agenturen war ich natürlich auch tätig. Ich hab viel im klassischen Modelbusiness gearbeitet, aber auch mit Casting-Prozessen, Peopleagenturen und dergleichen zu tun gehabt. Parallel zum Entschluss, mich als Coach selbstständig zu machen, entstand auch die Idee, eine neuartige Agentur zu gründen. Wir haben es “Blogger Relations” genannt, als es 2013 gerade mit den Blogs losging. Wir wollten eine Mischung aus Modelmanagement und Blogger Management ins Digitale transferieren. Im Laufe der Zeit sind wir gewachsen und früh auf den Instagram-Zug aufgesprungen. Wir haben uns damals zu Tode gefreut, als wir den ersten Post für 50 Euro verkauft haben und uns gefeiert, als hätten wir mehrere Millionen gemacht. Das war eine lustige und aufregende Zeit. Nach sieben Jahren bin ich aus der alten Agentur ausgestiegen, weil wir Gründer uns in unterschiedliche Richtungen entwickelt haben. Ich bin dankbar für die Zeit und die Erfahrungen, die ich sammeln konnte. Ich mag zugegebenermaßen den Begriff “Influencer Marketing” nicht, dieses jedoch mit zu entwickeln und zu professionalisieren, dafür bin ich dankbar.

styleranking: Warum magst du den Begriff nicht und welchen bevorzugst du?

Michael Fassl: Ich bevorzuge den Begriff Talent. Talents müssen in der Lage sein mehr Dinge zu können, als Personen, die “nur” auf Instagram funktionieren. Influencer zu sein hat eine Daseinsberechtigung, ebenso wie der Begriff. Aber er deckt nur ein Teil dessen ab, was ich mit meiner Agentur mache.

styleranking: Was müssen eure Talents mitbringen?

Michael Fassl: Um in verschiedenen Bereichen der Werbung performen zu können, gehört immer Talent dazu. Man muss in der Lage sein, mit sich selbst und den Anforderungen eines Kunden spielen zu können. Das Talent muss sich in verschiedene Rollen versetzen können und diesen gerecht werden, egal ob auf Foto, Bewegtbild oder moderativ. Talent hat man oder eben nicht. Das ist schwer erlernbar.

Dann zählt Authentizität. Die digitale Welt hat Werbung vollkommen verändert. Deswegen ist es wichtig, dass Talents Produkte authentisch bewerben können, egal über welche Kanäle. Persönlichkeit und Menschlichkeit sind auch ausschlaggebende Faktoren. Professionalität ist unumgänglich.

Ich sehe auch gerne, wenn das Talent eine Aufgabe im Leben hat oder für etwas steht. Als Instagram neu war, haben sich alle über tolle Bilder gefreut. Das reicht heute nicht mehr aus. Man muss sowohl Kunden als auch Followern eine Story über sich erzählen können. Ob das jetzt Themen wie Nachhaltigkeit, Artenschutz, Fairtrade oder Ernährung sind, oder ob man Menschen in Not hilft. Wer eine gewisse Daseinsberechtigung gekoppelt mit einer adäquaten Reichweite aufbaut, sollte in der Lage sein, der Gesellschaft etwas zurück zu geben.

"Manche Leute sind in die Branche reingerutscht und bringen nicht das nötige Repertoire mit"

styleranking: Die Herausforderungen an eure Manager:innen klingen sehr facetten- und umfangreich. Gibt es genug Menschen auf dem Arbeitsmarkt, die diese Anforderungen erfüllen können?

Michael Fassl: Leider nein. Es gibt viele Agenturen und Managements, die einen guten Job machen und Leute mit viel Know-how beschäftigen. Aber manche Leute sind in die Branche reingerutscht und bringen nicht das nötige Repertoire mit. Die nennen sich Management und es ist teilweise haarsträubend, welche Kommunikation da rauskommt.

Im Recruiting-Prozess schaue ich darauf, mit welchen Skills die jeweilige Person unsere Agentur ergänzen kann. Basics können ausreichen, um dann neue Kenntnisse aktiv zu fördern. Es gehören viele Dinge dazu, die Bewerber im Idealfall beherrschen sollten. Sowohl zwischenmenschlich als auch beruflich. Wir decken so viele Bereiche ab, von TV- bis Eventplanung, dem klassischen Modelgeschäft und allem, was auf Social Media abgeht. Da geht es um Know-how in Teilbereichen. Schließlich kann man von niemandem alles erwarten.

Michael Fassl betreut mit seiner Talent Management Agentur Betty Taube, Sofia Tsakiridou und Swantje Wördemann.   Copyright: Michael Fassl mf mgmt

styleranking: Dank der Professionalisierung fungieren heute viele Akteure im Markt. Informationen können so verloren gehen. Der Kunde spielt an seine Agentur, die Agentur spielt ans Management und das Managment spielt an die Talents. Was macht ihr als Management, damit das nicht passiert?

Michael Fassl: Ich sehe das in mangelnder Professionalität begründet. Agenturen müssen ihre Kunden wirklich beraten. Viele wollen den Kunden nicht verärgern und fragen dann wahllos Leute an. Besser wäre es, vorab zu eruieren, ob Kunde und Talent wirklich zusammenpassen. Oft geht es nur um die Anzahl der Follower. Eventuell werden dann noch Reichweite und Impressionen abgefragt, weil es bei diesen Kunden “nur um die Zahlen” geht, aber nicht darum, ob die Person wirklich ein Match für die Marke ist. Wenn Prozesse gut vorbereitet sind und alle Infos zu Kunde und Kampagne in einem kurzen, knackigen PDF zusammengefasst werden, ist allen geholfen. Wir als Management sind dann schnell in der Lage, zu verstehen, worum es geht und können gezielt mit dem Talent kommunizieren.

styleranking: Wollt ihr also wissen, um welchen Kunden es sich handelt, bevor ihr Insights zu den Talents preisgebt?

Micheal Fassl: Ja. Eine Anfrage ohne genaue Kunden-Nennung kann man an eine klassische Influencer Agentur senden. Wir vermarkten allerdings Menschen, die eine Meinung haben und deshalb die Marke vorher wissen möchten. Unsere Talents sind bekannt und es sind viele Verträge involviert. Schnell geht es um Exklusivitäten. Ich muss auf den ersten Blick sehen können, ob es wettbewerbstechnisch überhaupt möglich ist, ein Talent für eine spezielle Kampagne zu buchen. Zudem muss ich auch persönlich mit dem Talent besprechen, ob die Marke überhaupt für eine Zusammenarbeit interessant ist. Dafür brauche ich zwingend den Markennamen.

"Auch vor Instagram gab es Werbung. Da hat niemand über die Machtverteilung gesprochen"

styleranking: Sollten Agenturen ihren Kunden also öfter von Talents abraten?

Michael Fassl: Ja, aber das passiert leider selten. Es gibt Marken und Agenturen, die einen sensationellen Job machen. Da funktioniert die Zusammenarbeit wunderbar. Man macht sich Gedanken, wen man anfragt und Briefings sind schon vorbereitet. Es gibt aber auch das Gegenteil.

Ich würde mir wünschen, dass der Vorgang professioneller vorbereitet wird. Genauso, wie man es von uns als Management Agentur erwartet. Wenn wir einen Kunden betreuen, der Talent XY interessant findet, möchte der Kunde Infos sehen. Die müssen wir auf Knopfdruck liefern. Man nennt diese gebündelten Informationen gerne “Mediakit”. Ein Begriff, den ich absolut überholt finde. Ein Paket an Informationen, wie auch immer man diese Datei dann nennt, ist aber wichtig.

styleranking: Herausragende Talents können sich ihre Kooperationen mittlerweile aussuchen, während früher viele froh waren, wenn überhaupt jemand für eine Social Media-Kooperation angefragt hat. Wie kann es bei diesem verschobenen Machtverhältnis gelingen, als Kunde einen guten Draht zu den Talents aufzubauen?

Michael Fassl: Auch vor Instagram gab es Werbung. Da hat niemand über die Machtverteilung gesprochen. Sobald jemand ein Leben in der Öffentlichkeit führt, haben mehrere Marken Interesse daran, mit dieser Person zu arbeiten. Das ist keine Macht, sondern die Ernte harter Arbeit. Die Branche ist heute transparenter als jemals zuvor, aber im Kern hat sich nichts geändert. Harte Arbeit soll sich lohnen. Jeder bekannte Schauspieler kann sich seine Rollen aussuchen. Im Bereich von Instagram, TikTok etc. ist es ähnlich.

mf mgmt agiert seit 2020 am Markt. Zuvor gehörte Michael Fassl zum Gründer-Team einer renommierten deutschen Management Agentur.

styleranking: Wie können Marken in dieser Konstellation einen persönlichen Draht zu den Talents aufbauen?

Michael Fassl: Das funktioniert zum einen über eine langfristige Zusammenarbeit. Da baut man im Laufe der Zeit ein gutes Verhältnis auf und bekommt auf Kundenseite mehr Einblicke. Die Umsetzungsmöglichkeiten werden größer, je länger man zusammenarbeitet. Wenn jeder Kunde, der mal eben mit Swalina oder Betty telefonieren wollen würde, die Möglichkeit dazu hätte, könnten die beiden ihren Job nicht machen. Da muss es ein Regulativ geben. Aber es gibt häufig Fälle, in denen wir gemeinsame Calls haben oder uns bei Events oder Shootings sehen.

styleranking: Gibt es Kundenanfragen, bzw Wünsche, die ihr nicht erfüllen könnt?

Michael Fassl: Wir filtern viel. Wenn das Ganze nicht authentisch ist, fällt die werberelevante Wirkung nicht so hoch aus, wie es der Kunde wünscht. Das ist leicht und transparent zu erklären. Es bringt in der Regel nichts, ein Produkt in die Kamera zu halten, wenn der Kontext nicht stimmt. Wenn eine längerfristige Zusammenarbeit besteht, bei der Follower regelmäßig mit der Marke konfrontiert werden, kann auch mal stumpfes Product Placement funktionieren. Wenn es sich um eine Buchung für einen Post oder eine Story handelt, bringt das herzlich wenig. Es wäre schön, wenn das alle verstehen würden. Viele, die klassisch Werbung betreiben und bei den Brands relevante Positionen bekleiden, haben ein gewisses Alter. Die arbeiten häufig in alten Strukturen und versuchen, diese Konzepte auf Instagram zu übertragen. Das funktioniert nicht. Natürlich können die Marken gewisse Erwartungen formulieren - das ist der Sinn von Werbung. Aber wir sollten einen authentischen Weg finden, der zum Erfolg führt.

"Es gibt wahnsinnig viele Marken, die einfach auf Masse setzen"

styleranking: In der öffentlichen Debatte wird selten zwischen Talent und Influencer:in unterschieden. Die Kritik ist zudem vielfältig - Stichwort Dubai, Pocher oder Food Watch. Wie bewertest du diese Kritik?

Michael Fassl: Die Kritik ist durchaus berechtigt. Ich kann persönlich nicht verstehen, wie jemand während einer Pandemie eine perfekte, heile Welt vermarkten kann. Das geht komplett konträr zum Thema Verantwortung. Anders verhält es sich, wenn zum Beispiel eine Sofia Tsakiridou, wohlgemerkt vor Corona, in Guatemala eine Yoga-Ausbildung macht. Das hat etwas mit Authentizität zu tun und passt ins Gesamtpaket. Wenn aber jemand Werbung für Spülmittel macht, indem er den Karton auf einer grünen Wiese fotografiert, dann denke ich mir: “Was soll das?”. Reinigungsmittel stehen bei mir nicht auf der grünen Wiese. Das ist weder authentisch, noch erzeugt es eine werberelevante Wirkung.

styleranking: Kollegin Anne Höveler sagt in einem Podcast, dass es zwar viele Player gebe, der Markt aber nicht überlaufen sei. Es mangele an professionellen Influencer:innen, für die nach wie vor viel Platz ist. Wie siehst du das?

Michael Fassl: Anne ist seit Jahren eine sehr geschätzte Kollegin. Was sie hierzu sagt, unterschreibe ich gern. Es gibt allerdings ein “Aber”. Solange Marken genau solche Influencer buchen, wird es nicht besser. Und es gibt wahnsinnig viele Marken, die einfach auf Masse setzen. Das ist deren Marketing- und Sales-Strategy. Denen ist es egal, ob jemand zur Marke passt. Es geht wirklich nur um die generierten Sales. Wir müssen damit leben, dass es qualitative Unterschiede gibt. Entscheidender ist doch die Frage: “Was will ich als Marke mit meiner Kampagne erreichen?”

styleranking: Um welche Inhalte würdest du das Portfolio deiner Agentur ergänzen wollen?

Michael Fassl: Ich habe nicht geskriptet, welche Art von Talents wir für die Agentur noch brauchen. Mich erreichen jeden Tag Bewerbungen. Bei uns geht es um Individuen, die eine gewisse Bandbreite an Skills abdecken.

styleranking: Gibt es thematische Nischen, in denen Talents fehlen?

Michael Fassl: Aktuelle sehe ich keine Nischen. Ich habe festgestellt, dass man in jedem Bereich auf gute Konzepte und Firmen stößt. Natürlich sieht man in gewissen Nischen auch “Schrott”. “Coach” ist kein geschützter Beruf in Deutschland und jeder darf sich so nennen. Hier wünsche ich mir eine bessere Übersicht im Bereich Social Media. Ich weiß aber, dass das utopisch ist, solange es keine gesetzlichen Regelungen gibt.

Es gibt einen Bereich, welcher mehr Aufmerksamkeit verdient: Das Artensterben. Da sehe ich wunderbare Leute wie den Journalisten Dirk Steffens und finde, es müsste mehr solcher Menschen geben. In diesem Bereich liegt viel Potenzial.

"Instagram ist in der Zukunft nicht wegzudenken"

styleranking: Das ist mit Sicherheit ein Zukunftsthema.

Micheal Fassl: In Deutschland sind fast ein Drittel aller Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Wenn man sich fragt, zu welcher Konsequenz das führt, wird die Dramatik schnell klar. Wenn Arten aussterben, dann haben wir mit unserer Populationsdichte in einigen Jahren ein großes Problem. Das heißt dann nicht Pandemie, sondern Nahrungsknappheit. Ich würde mir wünschen, dass sich mehr Leute mit diesem Thema auseinandersetzen.

styleranking: Welche Plattformen findest du - neben den Inhalten - in Zukunft relevant?

Michael Fassl: Wir haben nichts mehr mit Snapchat zu tun. Uns war schnell klar, dass der Marktführer Facebook relativ schnell diesen ganzen Tools die Stirn bieten wird. So ist es mit den Stories auf Instagram auch eingetreten. Eine ähnliche Entwicklung sehe ich bei TikTok. TikTok hat natürlich eine Daseinsberechtigung, weil es eine neue Plattform ist und relativ schnell hohe Reichweiten generiert werden konnten. Das ändert sich aber mit wachsender User-Zahl. Zudem hat Instagram auch hier schnell mit den Reels reagiert. Instagram gehört zu Facebook. Wer sich dort die Werbeeinnahmen und Etats anschaut, muss kein Marketingexperte oder BWLer sein, um zu wissen, dass sich Instagram nicht die Butter vom Brot nehmen lässt. Deswegen ist Instagram in der Zukunft nicht wegzudenken. Da muss schon irgendjemand mit einer ganz revolutionären Geschichte kommen.

styleranking: Vielen Dank für das Interview, Michael!

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