Professionalisierung nach Gusto: Die erschwerten Verhandlungen im Influencer Marketing
Die Disziplin Influencer Marketing professionalisiert sich. Budgets steigen, Know-how auch. Immer mehr Akteure verdienen ihr Geld entlang der Kampagnen-Erstellung. Längst sind eine Vielzahl von Agenturen involviert, sei es im Kreativbereich oder als Agent:innen oder aktive Künstler-Manager:innen. Trotzdem berichten Influencer Marketing-Manager:innen von erschwerten Bedingungen. Im Fokus stehen dabei die Verhandlungen und die Kommunikation zwischen den Akteuren. Wie kann das passieren, wo doch Verantwortungen endlich auf viele kompetente Schultern verteilt wird?
Erschwerte Bedingungen - was ist damit gemeint? Die Kontaktaufnahme zu vielen Influencer:innen ist dank zwischengeschalteter Agenturen oder Manager mittelbar geworden. Das verlängert den Kommunikationsweg sowie die Vorlaufzeit von Kontaktanbahnungen.
Gleichwohl bedeutet diese Professionalisierung aber nicht, dass Rückmeldungen zuverlässiger oder eindeutiger ausfallen, wie uns Influencer Marketing Manager:innen berichten. Talent-Manager:innen oder Agenturen, die administrative Aufgaben von Influencer:innen übernehmen, sind bisweilen schwer zu erreichen. Das bedeutet: Reminder-Mails, Reminder-Telefonate und ein entsprechend hoher zeitlicher Arbeitsaufwand für Marken oder deren Agenturen.
Selbige Problematik wiederholt sich bei Abstimmungsschleifen, Freigaben oder Vertragsverhandlungen. Damit leistet die Professionalisierung des Marktes eines sicher nicht: Flexibilität.
Ursachenforschung: Die Machtverschiebung
Wodurch entsteht dieses Phänomen? Hier rückt die Machtverschiebung im Influencer Marketing in den Vordergrund.
Lange Zeit konnten sich Brands, die sich auf das Metier Influencer Marketing eingelassen haben, relativ frei in der Creator-Auswahl agieren. Diese Zeiten sind vorbei. Die Stars der Branche reflektieren zunehmend stärker, welche Brand für eine Kooperation in Frage kommt und können sich leisten, eine Vielzahl von Anfragen abzusagen. Influencer:innen sitzen längst am längeren Hebel.
Das ist grundsätzlich auch gut so - im Sinne von Authentizität und damit Brand-fit. Problematisch wird es dann, wenn aufgrund hoher Nachfrage ausschließlich nach Höhe des gezahlten Tickets entschieden wird. Denn: Wenn hohe Budgets im Markt sind, werden mittel- und langfristig auch die Ansprüche aller Kund:innen stark wachsen.
Mit steigender Qualität fallen zunehmend Creators durchs Netz, die die Professionalisierung verpasst haben. Eine zunehmende Anzahl von Kooperationsanfragen konzentriert sich also auf einen kleiner werdenden Pool attraktiver Influencer:innen. Agenturen wie Manager:innen müssen diesen Ansturm in geordnete Bahnen lenken, was verzögerte Reaktionszeiten oder eine grobe Vorauswahl wenigstens erklärt.
Weniger Verhandlungsspielraum
Aus dieser Machtverteilung ergeben sich auch neue Voraussetzungen für die Vertragsverhandlungen. “Influencer:innen sind kaum noch zu Preisnachlässen zu bewegen”, berichten Influencer Marketing Manager:innen, mit denen styleranking im freundschaftlichen Wettbewerb steht. Wir teilen diese Einschätzung. “Auch kurzfristige Aktivierungen werden häufig abgelehnt. Die meisten Content Creators streben langfristige Partnerschaften im Ambassador-Stil an.”
Grundsätzlich eine Entwicklung, die den Markt voran treiben kann - gerade im Bezug auf das Thema Storytelling. Flexibilität geht an dieser Stelle allerdings abermals verloren. Denn ein Benefit des Influencer Marketings ist die Unmittelbarkeit, mit der Aktivierungen in den sozialen Netzwerken vorgenommen werden können. Darin besteht einer der essentiellen Vorteile gegenüber TV-Werbung oder OOH.
KPIs nach Gusto
Nun beziehen sich die erschwerten Verhandlungen nicht ausschließlich auf den Wunsch nach langfristigen Kooperationen. Immer wieder sorgen auch die Preisvorstellungen der Influencer:innen und deren Verargumentierung für Differenzen.
Auch styleranking begegnen immer wieder Preise, die sich ausschließlich auf die Follower:innen-Zahl berufen. Das reicht nicht aus. Brands des deutschen Marktes können nicht den Preis für 100 Prozent der Follower:innen bezahlen, wenn 80 % derer nicht erreicht werden und/oder in Brasilien oder den USA sitzen.
Die Lösung
Wie kann eine Lösung aussehen? Der Markt braucht mehr Influencer:innen, die sich professionalisieren und zu attraktiven Kooperationspartner:innen werden. Und die Service bieten. Die Kommunikation zu Insights, Preisen und Wünschen wie Erwartungshaltungen seitens Brand und Creators muss transparenter werden, damit sich die Branche weiterentwickeln kann. Denn letztendlich rechtfertigt doch die Qualität der Arbeit die aufgerufenen Preise und macht Influencer:innen erst attraktiv für Langzeit-Kooperationen. Die lässt sich nunmal schwer an einem einzigen Parameter ablesen.
Die Prognose lautet, dass sich eben nicht die Influncer:innen durchsetzen, die ihre temporäre Marktmacht eiskalt ausnutzen oder sich bei Korrekturschleifen uneinsichtig zeigen.
Vergleiche im Medienmix beweisen: Immer dort, wo sich Hürden auftun, eine preisadäquate Leistung abzurufen, stoßen schnell neue Player in die Nische. Influencer:innen ist daher stark anzuraten, exakt diese zu besetzen: Mit Zusatzservices und -leistungen, einer auf der reellen Zielgruppe basierenden Preisstruktur und kurzen Reaktionszeiten. Letztere machen Influencer:innen gerade gegenüber anderen Mediengattungen attraktiv.
Der Markt ist aktuell preislich überhyped. Schnell werden neue Akteure in diese Nische stoßen, die sich Budgets mit Leistung erschließen. Das könnte für einige Creators ein böses Erwachen bedeuten. Heute VIP, morgen vergessen. Fraglich, welchen Weg sie wählen wollen.
Der Markt ist zu groß und zu gewichtig geworden, um sämtlichen Service vermissen zu lassen. Schlussendlich entscheiden Kund:innen und Agenturen über die Budgetvergabe. So dürfte es passieren, dass einige so schnell gar nicht merken, dass sie aus dem Relevant Set längst hinausgefallen sind - und der Weg zurück von der Blacklist auf die Love-List mittelfristig verbaut ist. Zeit, das eigene Servicelevel zu wandeln, ist aber aktuell noch gegeben.
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